Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

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Anwalt für Strafrecht: Falsche Verdächtigung

Wer dem Täter einer Ordnungswidrigkeit dabei hilft, die Tat zu verdecken, indem er sich selbst bei der Behörde als Täter bezichtigt, der macht sich wegen Beihilfe zu einer in mittelbarer Täterschaft begangenen falschen Verdächtigung strafbar.

In seinem Urteil vom 23.07.2015 - 2 Ss 94/15 hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart über das kollusive Zusammenwirken von zwei Personen gegenüber der Ordnungsbehörde bei zu schnellem Fahren entschieden. Die beiden Angeklagten hatten die Ordnungsbehörde bewusst in die Irre geführt, nachdem einer von ihnen beim zu schnellen Fahren geblitzt wurde. Der andere Angeklagte gab sich daraufhin gegenüber der Ordnungsbehörde als vermeintlicher Fahrer des Autos aus und sorgte so dafür, dass die Ordnungswidrigkeit für den tatsächlichen Fahrer verjährte. Das OLG Stuttgart bestätigte nun, dass sich derjenige, der sich in einem solchen Fall bei der Behörde wider besseren Wissens selbst bezichtigt, wegen Beihilfe zur falschen Verdächtigung gemäß §§ 164 Abs. 2, 27 Abs. 1 StGB strafbar macht. Die Selbstbezichtigung erfüllt zwar nicht den Tatbestand der falschen Verdächtigung, weil grundsätzlich eine andere Person verdächtigt werden muss. Indem man sich jedoch in Absprache mit der tatsächlich geblitzten Person als vermeintlicher Fahrer ausgibt, leistet man nach der Entscheidung des OLG Stuttgart aber einen Beitrag zur Beeinträchtigung der Rechtspflege. Man macht sich demnach wegen Beihilfe zu der vom Haupttäter in mittelbarer Täterschaft begangenen falschen Verdächtigung strafbar.

Anwalt für Strafrecht: Erteilung des letzten Wortes

Der Angeklagte verwirkt auch dann nicht sein Recht zur Ausübung des letzten Wortes, wenn er der Verhandlung zuvor eigenmächtig ferngeblieben ist.

In einem Strafprozess hat der Angeklagte das Recht des letzten Wortes. Bevor das Gericht die Beweisaufnahme schließt und sich zur Urteilsverkündung zurückzieht, muss dem Angeklagten die Gelegenheit zur Ausübung dieses Rechtes gegeben werden.
Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 02.02.2015 - 1 Ss 6/15 gilt dies auch in den Fällen, in denen die Beweisaufnahme ohne den Angeklagten stattfinden musste, weil dieser sich zuvor eigenmächtig entfernt hatte. Ist der Angeklagte zur Urteilsverkündung wieder anwesend, so muss das Gericht ihm die Möglichkeit der Stellungnahme auch dann geben, wenn das Urteil schon besprochen und das Gericht zur Verkündung bereit ist. Dies gebietet die Stellung des Rechtes zur Ausübung des letzten Wortes im Strafprozess, das nicht durch das eigenmächtige Fernbleiben von der Hauptverhandlung verwirkt werden kann.

Anwalt für Strafrecht: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Wer als Kurier für den Transport von Betäubungsmitteln sorgt, macht sich in der Regel nicht wegen mittäterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar. Hier kommt lediglich eine Beihilfe in Betracht.

In seinem Beschluss vom 09.09.2015 - 4 StR 347/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut über die Einordnung der Beteiligung des Kuriers an einem Drogengeschäft entschieden.
Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BGH ist bei der Beurteilung der Rolle des Kuriers der jeweils konkrete Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt zu bewerten. Beschränkt sich die Tathandlung auf den bloßen Transport von Drogen zwischen den selbstständig handelnden Lieferanten und Abnehmern, ohne dass der Kurier das Geschäft insgesamt maßgeblich mitgestalten kann, so liegt in der Regel lediglich eine Beihilfe vor. Mittäterschaftliches Handeltreiben liegt erst dann vor, wenn der Kurier erhebliche, über den Transport hinausgehende Tätigkeiten vornimmt. Dazu gehört etwa eine unmittelbare Beteiligung am An- und Verkauf des Rauschgiftes oder am Gewinn.
Im zu verhandelnden Fall beschränkte sich die Mitwirkung der Angeklagten auf die Anwesenheit beim Einbau der Drogen in den von ihr zur Verfügung gestellten Pkw und den eigenhändigen Transport an einen nicht näher genannten Abnehmer. Da sie das Geschäft an sich jedoch nicht maßgeblich mitgestalten konnte, kam eine Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht in Betracht.

Anwalt für Strafrecht: Räuberischer Diebstahl

Eine Nötigungshandlung beim Räuberischen Diebstahl gem. § 252 StGB kann auch noch vorliegen, wenn der Täter erst einige Zeit nach der Tat Gewalt gegen eine Person anwendet, die ihn zwar nicht auf frischer Tat betroffen, aber verfolgt hat (sog. Nacheile)

Der Angeklagte hatte gemeinsam mit anderen Beteiligten einen Geldautomaten aufgebrochen und fast 75.000 ? gestohlen. Polizeibeamte hatten die Tat von Anfang an beobachtet, waren jedoch nicht sofort eingeschritten. Erst nach einer ca. 30 minütigen Verfolgung versuchten Beamte eines Sondereinsatzkommandos, das an der Observation nicht beteiligt war, die Diebe festzunehmen. Um sich der Festnahme zu widersetzen, durchbrachen die Täter mit ihrem Auto die Umstellung der SEK-Beamten, wodurch sich ein Beamter eine Knieprellung zuzog.
Mit Beschluss vom 04.08.2015 - 3 StR 112/15 hat der BGH entschieden, dass in diesem Fall ein (besonders schwerer) räuberischer Diebstahl gem. §§ 252, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB vorliegt. Ein solcher setzt voraus, dass jemand bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen wird und dann Gewalt verübt oder Drohungen anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten. Zwar war die Tat bei der Festnahme durch das SEK nicht mehr wirklich "frisch" i.S.d. § 252 StGB. Jedoch waren die Diebe bereits durch die observierenden Polizeibeamten tatbestandlich auf frischer Tat betroffen. Dass sich die Nötigungshandlung (gewaltsames Zufahren mit dem Auto) dann erst später gegen einen SEK-Beamten richtete, der die Täter wiederum nicht selbst auf frischer Tat betroffen hatte, ist unschädlich. Ausreichend ist nach Ansicht des BGH nämlich, dass die Nötigungshandlung eine Folge des Betroffenseins ist, also in einem Zusammenhang dazu steht. Und dies ist im Rahmen der sogenannten Nacheile, also der sich an die Tatbegehung unmittelbar anschließenden ununterbrochenen Verfolgung, der Fall.

Anwalt für Strafrecht: Rücktritt vom Versuch

An der für den Rücktritt vom Versuch notwendigen Freiwilligkeit kann es fehlen, wenn der Täter aufgrund willensunabhängiger Tatumstände, beispielsweise wegen seelischen Drucks oder infolge eines Schocks, an der weiteren Tatbegehung gehindert ist.

Mit Urteil vom 28.05.2015 - 3 StR 89/15 hat der BGH über einen recht kuriosen Fall der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung entschieden. Nach den Feststellungen des Landgerichts Düsseldorf wollte der Angeklagte ein Juweliergeschäft überfallen. Um die Herausgabe des Schmuckes zu erzwingen, hatte er sich mit einem Elektroschocker bewaffnet. Da der Angeklagte jedoch ungeübt im Umgang mit dem Elektroschocker war, versetzte er sich bei dessen Einsatz zunächst selbst einen Stromschlag und gab anschließend mehrere unkontrollierte Stromstöße auf die Verkäuferin ab. Als diese daraufhin in Panik geriet und laut schrie, verlor der Angeklagte endgültig die Kontrolle über sein Handeln und wollte nur noch fliehen. Die Beute ließ er zurück.
Der BGH hat hier einen strafbefreienden freiwilligen Rücktritt vom Versuch gem. § 24 StGB abgelehnt. Auch wenn äußere Umstände der Tatvollendung nicht entgegenstanden, habe der Angeklagte die weitere Tatausführung trotzdem nicht freiwillig aus sich heraus aufgegeben. Denn aufgrund des erlittenen Schocks und infolge der sich auch bei ihm ausbreitenden Panik sei er unmittelbar vor dem Abbruch der Tat nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen, sodass er überhaupt keinen klaren Gedanken mehr über die Ausführung seines Tatplans fassen konnte. Vielmehr hätten ihn die genannten willensunabhängigen Tatumstände (Schock, Panik) zur Aufgabe der weiteren Tatausführung gezwungen. Ein strafbefreiender freiwilliger Rücktritt vom Versuch liege damit nicht vor.

Anwalt für Strafrecht: Hinweispflicht des Gerichts

Will das Gericht abweichend von der Anklage eine Verurteilung wegen Beihilfe anstelle von Mittäterschaft aussprechen, so muss es vorher einen rechtlichen Hinweis bezüglich dieser Veränderung erteilen.

Die Anklage im Strafprozess dient dazu, die Tat einzugrenzen und die einschlägigen Strafgesetze festzulegen. Will das Gericht aber im laufenden Strafverfahren von der Anklage abweichen und eine Verurteilung wegen eines anderen Strafgesetzes aussprechen, so muss es den Angeklagten gemäß § 265 Abs. 1 StPO darauf hinweisen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
Dies gilt nicht nur in Bezug auf den Straftatbestand, sondern auch für die maßgebliche Beteiligungsform, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Beschluss vom 02.09.2015 - 2 StR 49/15 betonte.
Der BGH hob damit die Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht Darmstadt auf. Dieses hatte den Angeklagten ohne die Erteilung eines entsprechenden Hinweises wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, obwohl die Anklage von einem Betrug in Mittäterschaft ausgegangen war. Auf diese Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes hätte jedoch hingewiesen werden müssen. Da der BGH nicht ausschließen konnte, dass das Urteil bei einem entsprechenden Hinweis zu einem für den Angeklagten günstigeren Urteil geführt hätte, wurde das Urteil aufgehoben.

Anwalt für Strafrecht: gefährliche Körperverletzung

Entsteht der Körperverletzungserfolg bei einem Schuss auf das im Auto sitzende Opfer erst durch das Zersplittern der Scheibe und damit nicht durch eine unmittelbare Folge des Schusses, so liegt keine gefährliche Körperverletzung "mittels" der eingesetzten Waffe vor.

In seinem Beschluss vom 16.07.2015 - 4 StR 117/15 hat der Bundesgerichtshof erneut über die Auslegung des Wortes "mittels" einer Waffe im Rahmen der gefährlichen Körperverletzung entschieden. Eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt vor, wenn der Körperverletzungserfolg mittels einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs verursacht wird. Zwischen dem Einsatz der Waffe und der Verletzung des Opfers muss demnach ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Ein solcher besteht nach ständiger Rechtsprechung nur, wenn dem Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes Tatmittel eine Körperverletzung beigebracht wird. Ist die Verletzung keine direkte Folge des Einsatzes der Waffe, so besteht der unmittelbare Zusammenhang nicht.
So liegt nach der aktuellen Entscheidung des BGH keine gefährliche Körperverletzung mittels einer Waffe vor, wenn auf eine im Auto sitzende Person geschossen und diese erst durch das Zersplittern der Scheibe verletzt wird. In diesem Fall ist die Körperverletzung nicht durch den Schuss, sondern durch das Zersplittern der Scheibe eingetreten.

Anwalt für Strafrecht: schwerer Raub

Ein schwerer Raub mit Waffen liegt bei der Verwendung einer Schreckschusspistole nur dann vor, wenn aus der Waffe beim Abfeuern ein Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt. Dies ist zwar üblich, darf aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden.

In seinem Beschluss vom 16.07.2015 - 2 StR 12/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass bei der Verwendung einer Schreckschusspistole beim Raub bzw. bei der räuberischen Erpressung nicht automatisch ein schwerer Raub mit Waffen gem. § 250 StGB gegeben ist. Vielmehr fällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann unter den Waffenbegriff, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Dies ist zwar bei Schreckschusspistolen üblich, darf aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Der Tatrichter muss demnach konkrete Feststellungen dazu treffen, inwiefern beim Abfeuern der Waffe Explosionsdruck nach vorne austritt.
Damit hob der BGH die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung auf. Der Angeklagte hatte gemeinsam mit anderen Beteiligten eine Spielhalle überfallen. Bei dem Überfall wurde die Angestellte unter Vorhalt der Schreckschusspistole des Angeklagten zur Herausgabe von Bargeld veranlasst.

Anwalt für Strafrecht: gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Wer auf ein Polizeiauto zufährt, um dieses zurückzudrängen und dadurch seine Flucht zu ermöglichen, macht sich nicht zwingend wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar.

In seinem Beschluss vom 30.06.2015 - 4 StR 188/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut deutlich gemacht, dass für eine Verurteilung wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr genaue Feststellungen zu einer konkreten Gefährdung des Straßenverkehr getroffen werden müssen. Denn nach § 315b StGB muss es bei einem Eingriff in den Straßenverkehr zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer Sache von bedeutendem Wert kommen. Bei diesem sogenannten "Beinahe-Unfall" muss eine Situation verursacht werden, in der die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wird, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob das Rechtsgut verletzt wird oder nicht. Diese Situation konnte das Landgericht Traunstein im zu verhandelnden Fall jedoch nicht hinreichend belegen, sodass die Verurteilung des Angeklagten wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr vom BGH aufgehoben werden musste.
Der Angeklagte war mit ca. 100 bis 120 km/h ungebremst auf eine Polizeistreife zugefahren, um die Beamten zur Freigabe der Fahrspur zu zwingen und so seine Flucht zu ermöglichen. Als der Angeklagte weniger als 50 Meter von ihnen entfernt war, setzten die Beamten das Polizeiauto zurück, da selbst bei einer Vollbremsung eine Kollision nicht mehr zu verhindern gewesen wäre. Nach Ansicht des BGH belegen diese Feststellungen allein die konkrete Gefährdung der Beamten jedoch nicht.

Anwalt für Strafrecht: Strafbefehl

Ein Strafbefehl muss dem Beschuldigten mit einer Übersetzung zugestellt werden, wenn der Beschuldigte der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Andernfalls liegt keine wirksame Zustellung vor, die Einspruchsfrist beginnt nicht zu laufen.

Das Landgericht (LG) Gießen hat in seinem Beschluss vom 29.04.2015 - 7 Qs 48/15 entschieden, dass bei der Zustellung eines Strafbefehls auch eine Übersetzung zugestellt werden muss, wenn der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist. Denn gemäß § 37 Abs. 3 StPO ist dem Prozessbeteiligten das Urteil zusammen mit der Übersetzung zuzustellen, wenn ihm nach § 187 Abs. 1 und 2 GVG ein Dolmetscher zusteht. Die Regelung gilt aber entgegen ihrem Wortlaut nicht nur für Urteile, sondern ist entsprechend auf den Strafbefehl anzuwenden. Wer also der deutschen Sprache nicht mächtig ist, dem muss bei der Zustellung des Strafbefehls eine Übersetzung zugestellt werden. Ist dies nicht geschehen, so ist der Strafbefehl nicht wirksam zugestellt worden. Die Rechtsmittelfrist beginnt in diesem Fall nicht zu laufen.