Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

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Anwalt für Strafrecht: Freiwilligkeit des Rücktritts

Eine Erhöhung des Entdeckungsrisikos schließt die Freiwilligkeit beim Rücktritt grundsätzlich nicht aus, da ein Täter die Tat bis zum Eintreffen feststellungsbereiter Dritter grundsätzlich noch ungehindert verwirklichen kann, ohne das für ihn damit eine beachtliche Risikoerhöhung verbunden sein muss.

Der Rücktritt gemäß § 24 StGB stellt als persönlicher Strafaufhebungsgrund eine Möglichkeit dar, die bereits eingetretene Strafbarkeit wegen einer versuchten Straftat rückwirkend wieder aufzuheben. Ausschlaggebende Voraussetzung ist hierbei, dass der Täter freiwillig, also aus autonomen Gründen zurücktritt. Ein Täter darf  mithin nicht durch eine äußere Zwangslage oder inneren seelischen Druck dazu bestimmt werden, die weitere Tatausführung zu unterlassen. Er muss vielmehr subjektiv davon ausgehen, die Tat noch ausführen zu können, sich aber bewusst dagegen entscheiden. Der Bundesgerichtshof musste sich in seinem Urteil vom 10. April 2019 (1 StR 646/18) nun erneut mit der Frage beschäftigen, wann ein Täter freiwillig zurücktritt. Der Angeklagte trat vorliegend mit voller Wucht gegen das Gesicht des Betroffenen. Er hielt es dabei für möglich, dass der Betroffene durch den massiven Fußtritt zu Tode kommen könnte, nahm diese Folge aber billigend in Kauf. Als der Betroffene daraufhin lautstark um Hilfe rief, ließ der Angeklagte von diesem ab und rannte weg. Der Betroffene erlitt durch den Tritt eine komplexe Mittelgesichtsfraktur sowie ausgeprägte Prellmarken und Hämatome im Gesichtsbereich. Der Bundesgerichtshof bejahte im Ergebnis einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten von einem bedingt vorsätzlichen Versuch des Totschlags. Zwar sei ein Rücktritt dann nicht mehr freiwillig, wenn der Täter von weiteren Tatausführungen Abstand nimmt, weil er das damit verbundene Risiko, entdeckt zu werden, für nicht mehr vertretbar hält. Jedoch steht der Freiwilligkeit i.S.v. § 24 StGB eine solche Erhöhung des Entdeckungsrisikos grundsätzlich nicht entgegen, da der Täter bis zum Eintreffen von feststellungsbereiten Dritten (z.B. der Polizei) grundsätzlich noch ungehindert weitere Tatausführungshandlungen vornehmen kann, ohne dass sich für ihn dabei das Risiko beachtlich erhöhen muss.  Es sei vorliegend nicht hinreichend belegt worden, dass der Angeklagte das Tatrisiko aufgrund der Hilfeschreie des Betroffenen für unvertretbar hoch hielt und nur deshalb flüchtete.

Anwalt für Strafrecht: Notwehr

Im Zuge der Notwehr kann der sofortige Messereinsatz ausnahmsweise auch ohne vorherige Androhung gegenüber dem unbewaffneten Angreifer erforderlich sein, wenn dies bei objektiver Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung das mildeste Mittel ist.

Notwehr ist die Verteidigung die erforderlich und geboten ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. In seiner aktuellen Entscheidung vom 17. April 2019 (2 StR 363/18) hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinander zu setzen, ob auch der sofortige Einsatz eines Messers gegenüber dem Angreifer durch Notwehr gerechtfertigt sein kann oder ob die vorherige Androhung als milderes Mittel vorrangig zu wählen ist. Vorliegend suchte der Betroffene die Gaststätte des Angeklagten auf, obwohl dieser ihm zuvor ein Hausverbot erteilt hatte. Als der Angeklagte ihn aufforderte, die Gaststätte zu verlassen, folgte eine verbale Auseinandersetzung und anschließend ein Gerangel, bei dem der Betroffene den Angeklagten mit seinen Fäusten schlug. Nach einigen Minuten stach der Angeklagte dem Betroffenen dann mit einem Messer in den Oberkörper, um weitere Schläge abzuwenden. Der Bundesgerichtshof verneinte eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Notwehrhandlung des Angeklagten sei gerechtfertigt gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Notwehrhandlung erforderlich, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung steht. Der sofortige Einsatz eines Messers gegenüber einem unbewaffneten Angreifer ist zwar in der Regel anzudrohen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine Androhung ebenso gut geeignet wäre, die Einwirkungen des Angreifers sofort zu beenden. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Der einige Zeit andauernde gewalttätige Angriff konnte trotz des Eingreifens von anderen Personen nicht beendet werden. Er sei zudem noch nicht einmal durch die Messerstiche beendet worden, sondern erst, als ein anderer Gast den Geschädigten aus der Gaststätte hinauszerrte. Mithin sei es nicht erkennbar, ob der Geschädigte bei einer Androhung tatsächlich von dem Angeklagten abgesehen hätte. Bei objektiver Betrachtung stellte der sofortige Messereinsatz mithin das mildeste und gleichermaßen erfolgversprechende Mittel dar.

Anwalt für Strafrecht: Fahrlässige Tötung

Justizvollzugsbeamte, die einem Strafgefangenen ohne Sorgfaltspflichtverletzung einen Freigang gewähren, machen sich nicht wegen fahrlässiger Tötung strafbar, wenn der Gefangene beim Freigang einen Mord begeht

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, § 222 StGB. Fahrlässig handelt dabei, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Erforderlich ist mithin, dass eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt und dass diese für den Täter auch erkennbar war. Der Bundesgerichtshof befasste sich in seiner aktuellen Entscheidung vom 26. November 2019 (2 StR 557/18) mit der Frage, ob sich Justizvollzugsbeamte wegen fahrlässiger Tötung strafbar machen, wenn sie einem Häftling Freigang gewähren, der daraufhin eine andere Person tötet. In dem vorliegenden Fall tötete ein Häftling eine junge Frau, als er während dem von den zuständigen Justizvollzugsbeamten genehmigten Freigang vor der Polizei flüchtete und mit rasanter Geschwindigkeit als „Geisterfahrer“ auf die Gegenfahrbahn fuhr. Der überlebende Häftling wurde wegen dieser Tat unter anderem wegen Mordes verurteilt. Der Bundesgerichtshof verneinte jedoch eine Strafbarkeit der Justizvollzugsbeamten wegen fahrlässiger Tötung. Die Entscheidung, dem Häftling Lockerungen in Form von Freigängen zu gewähren, sei nicht sorgfaltspflichtwidrig gewesen. Den Justizvollzugsbeamten komme bei jeder Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen bei der Abwägung zwischen der Sicherheit der Allgemeinheit einerseits und dem grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse eines Strafgefangenen andererseits ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Dieser sei vorliegend nicht überschritten worden, da die Angeklagten aus der maßgeblichen Sicht zum damaligen Zeitpunkt alle relevanten Aspekte berücksichtigt hatten. Zudem sei auch eine objektive Vorhersehbarkeit des konkreten Taterfolgs nicht gegeben. Ein Fluchtverlauf, bei dem ein Häftling einen vorsätzlichen Mord unter Verwirklichung des Mordmerkmals der Gemeingefährlichkeit begeht, liege so außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung, dass mit ihm nicht gerechnet werden müsse.

Anwalt für Strafrecht: Versuchter Wohnungseinbruchdiebstahl

Das Durchbohren einer Terrassentür ist nicht bereits als unmittelbares Ansetzen zum Wohnungseinbruchsdiebstahl zu werten, wenn der Täter anschließend den Türöffnungshebel bedienen wollte, um in das Wohnhaus zu gelangen und dort Bargeld und Wertgegenstände zu entwenden

Wer versucht in eine Wohnung einzubrechen, um dort etwas zu stehlen, wird gemäß § 244 Abs. 2 StGB bestraft. Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt, § 22 StGB. Ein unmittelbares Ansetzen ist gegeben, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt – geht’s – los“ überschreitet und objektiv so zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, dass sein Tun nach seiner Vorstellung ohne wesentliche Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht. Der Bundesgerichtshof musste sich in seinem Beschluss vom 01. August 2019 (5 StR 185/19) nun mit der Frage beschäftigen, wann ein solches unmittelbares Ansetzen bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl vorliegt. Die Angeklagten hatten vorliegend bereits den Holzrahmen einer Terrassentür durchbohrt, um den Türöffnungshebel zu bedienen und aus der betroffenen Wohnung Bargeld oder Wertgegenstände entwenden zu können. Da die Tür jedoch mit einem verschlossenen Zusatzschloss versehen war, hatte ihr Vorhaben keinen Erfolg. Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs haben sie zur Umsetzung des geplanten Diebstahls deshalb noch nicht im Sinne des § 22 StGB unmittelbar angesetzt. Die Grenze zum Versuch sei mithin noch nicht überschritten worden. Die Angeklagten sollen sich stattdessen aber wegen der Verabredung eines Wohnungseinbruchsdiebstahl gemäß §§ 244 Abs. 4, 30 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben.

Anwalt für Strafrecht: Mord/politisches Tatmotiv

Eine politische Tatmotivation jenseits des Widerstandsrechts aus Art. 20 Abs. 4 GG ist ein niedriger Beweggrund im Sinne eines Mordes.

Der Bundesgerichtshof befasste sich in seinem Beschluss vom 22. August 2019 (StB 21/19) damit, ob ein politisches Tatmotiv ein niedriger Beweggrund im Sinne eines Mordes darstellt. Wegen Mordes macht sich strafbar, wer einen anderen Menschen aus niedrigen Beweggründen tötet. Der Beschuldigte in dem, dem Beschluss des BGHs zugrunde liegenden Sachverhalt, tötete den Betroffenen nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand wegen dessen politischer Überzeugung und Betätigung als Regierungspräsident und gleichsam für die von ihm vertretene liberale Linie in der Flüchtlingspolitik. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs handelte der Beschuldigte vermutlich aus niedrigen Beweggründen. Eine politische Tatmotivation ist jenseits des Widerstandsrechts aus Art. 20 Abs. 4 GG nach allgemeiner sittlicher Anschauung grundsätzlich verachtenswert und steht auf tiefster Stufe, da die bewusste Missachtung des Prinzips der Gewaltfreiheit der politischen Auseinandersetzung durch physische Vernichtung politischer Gegner mit der Rechtsordnung schlichtweg unvereinbar ist.

Anwalt für Strafrecht: Urkundenfälschung

Das Verändern der Fahrzeugidentifikationsnummer eines KFZ stellt ein Verfälschen einer echten Urkunde im Sinne einer Urkundenfälschung dar.

Wegen Urkundenfälschung macht sich ein Beschuldigter strafbar, welcher eine echte Urkunde verfälscht. Beweiszeichen können mit einem Bezugsobjekt eine zusammengesetzte echte Urkunde bilden. In seinem Urteil vom 17. Oktober 2019 (3 StR 521/18) befasste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob das Verändern der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) eines KFZ das Verfälschen einer echten Urkunde darstellt. Der Beschuldigte war Mitglied einer Bande, welche sich zur bandenmäßigen und gewerbsmäßigen Urkundenfälschung zusammengeschlossen hatte. Im Zuge dessen veränderten unbekannte Bandenmitglieder die FIN entwendeter PKW an drei Stellen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stellt das Verändern der FIN eines Fahrzeugs ein Verfälschen einer echten Urkunde dar. Denn bei der FIN handelt es sich um ein vom Hersteller ausgestelltes Beweiszeichen, das mit dem Fahrzeug als Bezugsobjekt eine zusammengesetzte Urkunde bildet

Anwalt für Strafrecht: Raub

Der Beschuldigte begründet den für eine Wegnahme im Sinne eines Raubes erforderlichen neuen Gewahrsam an einer fremden beweglichen Sache nicht, wenn er diese lediglich von dem Betroffenen entgegennimmt.

Die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache im Sinne eines Raubes setzt den Bruch fremden und die Begründung neuen nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams voraus. Die Begründung neuen Gewahrsams richtet sich nach der Verkehrsauffassung. Nach der Verkehrsauffassung wird bei leicht beweglichen Sachen geringen Umfangs neuer Gewahrsam durch das Einstecken in die eigene Kleidung begründet. In seinem Beschluss vom 13. November 2019 (3 StR 342/19) setzte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinander, inwiefern die Übergabe einer Sache eine Begründung neuen Gewahrsams darstellt. Der Beschuldigte ließ sich von dem Betroffenen dessen Musikbox überreichen. Anschließend übergab der Beschuldigte diese einem Dritten, welcher sie in seine Jackentasche steckte. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs brach der Beschuldigte mit der Entgegennahme der Musikbox nicht den Gewahrsam des Betroffenen an dieser. Hierbei wurde der Gewahrsam des Betroffenen lediglich gelockert. Der Gewahrsam des Betroffenen wurde erst in dem Zeitpunkt gebrochen, in welchem der Dritte die Musikbox in seine Jackentasche steckte.

Anwalt für Strafrecht: Minder schwerer Fall des Totschlags

Eine Tat kann auch dann auf der Stelle im Sinne eines minder schweren Falls des Totschlags erfolgen, wenn zwischen der Auseinandersetzung und dem eigentlichen Tatgeschehen ein gewisser zeitlicher Abstand liegt. Dies ist der Fall, wenn der durch die Provokation und die Misshandlung hervorgerufene Zorn des Beschuldigten im Zeitpunkt der Tatbegehung noch angehalten und als nicht durch rationale Abwägung unterbrochene Gefühlsaufwallung fortgewirkt hat.

Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Beschluss vom 19. November 2019 (2 StR 378/19) damit zu befassen, inwiefern der Beschuldigte bei einer zeitlich nach einer Misshandlung erfolgten Tötung noch auf der Stelle zur Tat hingerissen ist. Ein für den Beschuldigten günstiger minder schwerer Fall des Totschlags liegt dann vor, wenn der Beschuldigte durch eine ihm zugefügte Behandlung des Betroffenen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde. Der Betroffene in dem, dem Beschluss des BGHs zugrunde liegenden Sachverhalt, provozierte den Beschuldigten woraufhin sich eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und dem Betroffenen entwickelte. Im Zuge dieser versetzte der Betroffene dem Beschuldigten einen Schlag gegen die Oberlippe, welche diese zum Aufplatzen brachte. Im Anschluss hieran zog die Ehefrau des Betroffenen diesen Weg. Der Beschuldigte war wütend und wollte die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Er suchte eine Glasflasche, brach diese ab und ging wutentbrannt auf den Betroffenen los. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs war der Beschuldigte zum Zorn gereizt und auf der Stelle zur Tat hingerissen worden. Es bestand zwar ein gewisser zeitlicher Abstand zwischen der Auseinandersetzung und dem eigentlichen Tatgeschehen, dies unterbricht aber nicht den erforderlichen Zusammenhang, der insoweit bestehen muss, als der durch die Provokation und die Misshandlung hervorgerufene Zorn im Zeitpunkt der Tatbegehung noch angehalten und als nicht durch rationale Abwägung unterbrochene Gefühlsaufwallung fortgewirkt hat.

Anwalt für Strafrecht: Schwere Körperverletzung

Bei besonders großen oder markanten Narben oder auch einer Vielzahl von Narben in derselben Körperregion kann eine in erheblicher Weise dauernde Entstellung vorliegen.

In seiner Entscheidung vom 20. April 2011 (2 StR 29/11) beschäftigte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob eine verletzte Person durch Operationsnarben im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in erheblicher Weise dauernd entstellt wird. Eine dauernde Entstellung in erheblicher Weise ist eine Verunstaltung der Gesamterscheinung des Verletzten, die dem Gewicht der geringsten Fälle nach § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt. In dem vorliegenden Fall hatte der Angeklagte den Betroffenen mit einem Springmesser zweimal in den linken Arm und siebenmal auf der linken Seite in den Oberarm gestochen. Der Zeuge musste daraufhin intensivmedizinisch behandelt werden, wodurch eine Vielzahl markant bleibender Narben und überdauernde große Narben im Oberkörperbereich entstande. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs können grundsätzlich auch besonders große oder markante Narben oder eine Vielzahl von Narben in derselben Körperregion das Merkmal der in erheblicher Weise dauernden Entstellung im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklichen. Ob die Qualifikation der Tat auf das äußere Verletzungsbild des Betroffenen mitsamt den Operationsnarben tatsächlich zutrifft, sei stets im Einzelfall nachzuprüfen.

Anwalt für Strafrecht: Tötung auf Verlangen

Die Garantenstellung eines Arztes für das Leben seines Patienten endet, wenn er vereinbarungsgemäß nur noch dessen freiverantwortlichen Suizid begleitet.

In seiner Entscheidung vom 03. Juli 2019 (5 StR 393/18) hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst, ob das Mitwirken eines Dritten an einem freiverantwortlichen Suizid eine strafbare Tötung oder aber lediglich eine straflose Teilnahme darstellt. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt litt die Patientin des Angeklagten an einem sehr schmerzhaften und nicht heilbaren Reiz–Darm–Syndrom. Hierdurch war ihre Lebensqualität so stark eingeschränkt, dass sie mehrmals und über Jahre hinweg den Wunsch äußerte, sterben zu wollen. Auch hatte sie schon mehrfach Suizidversuche unternommen. Als sie sich dann an den Angeklagten, ihren Hausarzt, mit der Bitte wandte, sie bei ihrer Selbsttötung zu unterstützen, übergab dieser ihr das Medikament „Luminal“. Nachdem die Patientin dieses bei klarem Verstand eingenommen hatte, informierte sie den Angeklagten, der sich daraufhin wie zuvor vereinbart in ihre Wohnung begab. Dort fand er sie in einem tief komatösen Zustand vor. Der Angeklagte fühlte sich dem Sterbewunsch seiner Patientin verpflichtet, weshalb er bis zu ihrem Tod keine Rettungsversuche unternahm. Der Bundesgerichtshof verneinte eine Strafbarkeit des Angeklagten. Das Bereitstellen der Medikamente stelle sich als eine straflose Beihilfe zur eigenverantwortlichen Selbsttötung dar. Auch sei der Angeklagte nach Eintritt der Bewusstlosigkeit der Patientin nicht zu Rettungsbemühungen verpflichtet gewesen, da die freiverantwortliche Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Patientin eine Pflicht des Angeklagten zur Abwendung ihres Todes entfallen lassen habe.