Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.
Über das Auswahlmenü für Kategorien oder die Volltextsuche in der linken Spalte und auf der Suchseite können Sie die für sie interessanten Entscheidungen weiter einschränken.
Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung
Wie damit umzugehen ist, wenn dem Angeklagten bei der polizeilichen Vernehmung kein Pflichtverteidiger bestellt wurde, hat der Bundesgerichtshof (2 StR 49/23) in seinem Beschluss vom 7. Dezember 2023 entschieden. Das Landgericht Limburg a. d. Lahn verurteilte den Angeklagten zuvor wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Dem Angeklagten war jedoch bei seiner polizeilichen Vernehmung entgegen §§ 141a S. 1, 141 Abs. 2, 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO kein Pflichtverteidiger bestellt worden. Ein Verwertungsverbot ergibt sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofes jedoch daraus nicht. Demnach sei ein Verwertungsverbot nur bei schwerwiegenden, bewussten oder objektiv willkürlichen Rechtsverstößen anzunehmen. Vorliegend sind die Beamten aber wegen einer Neuregelung noch davon ausgegangen, dass eine Vernehmung auch ohne Verteidiger möglich ist, wenn der Beschuldigte damit einverstanden ist. Außerdem ist zu beachten, dass das staatliche Verfolgungs- und Aufklärungsinteresse bei wie hiesigen schwerwiegenden Delikten hoch ist.
Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch von Kindern
Wie mit einer Aussage gegen Aussage Situation umzugehen ist, musste der Bundesgerichtshof (4 StR 380/23) in seinem Beschluss vom 28. Februar 2024 entscheiden. Der Angeklagte wurde zuvor vom Landgericht wegen des sexuellen Missbrauchs an Kindern in drei Fällen verurteilt, wobei seine vermeintlich missbrauchten Enkel von den Missbräuchen berichteten. Die Sache bedarf laut des Beschlusses vom Bundesgerichtshof jedoch neuer Verhandlung und Entscheidung. Demnach müssen in dem Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung nur davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, alle Umstände und Überlegungen erkennbar sein, welche die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten beeinflussen können. Besonders zu beachten sind dabei Inkonsistenzen in den Aussagen der Belastungszeugen.
Anwalt für Strafrecht: Strafverfahrensrecht
Wie damit umzugehen ist, wenn der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, hat der Bundesgerichtshof (1 StR 366/23) in seinem Beschluss vom 5. März 2024 erklärt. Der Angeklagte wurde zuvor vom Landgericht Karlsruhe wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Ihm ist jedoch keine Übersetzung der Anklageschrift zugekommen, obwohl er die deutsche Sprache nur rudimentär beherrscht. Damit wurde der Angeklagte nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofes in seinem Recht aus Art. 6 Abs. 3 lit. a) EMRK verletzt, nach welchem jede angeklagte Person innerhalb einer möglichst kurzen Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet werden muss. Das ist darauf zurückzuführen, dass ein Angeklagter auf die Entscheidung nur dann hinreichend Einfluss nehmen kann, wenn ihm der Verfahrensgegenstand in vollem Umfang bekannt ist.
Anwalt für Strafrecht: Wohnungsdurchsuchung
Ab wann ist von einer Wohnungsdurchsuchung im Sinne der Strafprozessordnung zu sprechen? Diese Frage musste der Bundesgerichtshof (5 StR 550/23) in seinem Beschluss vom 6. Mai 2024 beantworten. Das Landgericht Berlin hatte den Angeklagten zuvor unter anderem wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt, da dieser in seiner Wohnung knapp 300 g Kokain und mehrere Kilo Marihuana und Haschisch lagerte. Dabei rügte der Angeklagte, dass die bei der Wohnungsdurchsuchung sichergestellten Beweismittel wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt nicht verwertbar seien. Die Ansicht, dass das Hineinleuchten in das Zimmer mit einer Taschenlampe bereits eine Wohnungsdurchsuchung darstellt, teilt der Bundesgerichtshof jedoch nicht. Demnach erfordert eine Durchsuchung gem. § 102 StPO vielmehr das Betreten eines geschützten Raums, das der ziel- und zweckgerichteten Suche nach Personen oder Sachen dient und mit einem entsprechenden Augenschein verbunden ist. Das Leuchten und Hineinschauen in das Zimmer stellt aber bereits kein physisches Eindringen in das Zimmer mit der hiesigen Zwecksetzung dar.
Anwalt für Strafrecht: Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot
Wer kann wegen eines Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot als Rädelsführer schuldig gesprochen werden? Mit dieser Frage setzte sich der Bundesgerichtshof (3 StR 419/23) in seinem Beschluss vom 5. Februar 2024 auseinander. Die Angeklagten waren in überbleibenden Teilen des durch das Bundesministerium des Innern 2001 verbotenen „Kalifatstaates“ in Deutschland tätig. Alle drei Angeklagten waren in wichtigen Rollen tätig, wobei nur einer der Angeklagten eine deutschlandweite Führungsposition innehatte. Das Landgericht Koblenz verurteilte den Angeklagten wegen des Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot als Rädelsführer. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes machte sich jedoch nur einer der Angeklagten dessen strafbar. Die anderen zwei Angeklagten betätigten sich vielmehr als Mitglieder in der verbotenen Vereinigung im Sinne des § 85 Abs. 2 StGB. Ihre Tätigkeit beschränkte sich vor allem auf die Tätigkeit in einem lokalen Teil der Vereinigung. Rädelsführer ist stattdessen, wer in dem Personenzusammenschluss dadurch eine führende Rolle einnimmt, dass er sich in besonders maßgebender Weise für diesen betätigt. Dabei ist das Gewicht für die Vereinigung entscheidend. Die Tätigkeit ist insbesondere dann maßgebend, wenn sie von Einfluss auf die Führung der Vereinigung im Ganzen oder in wesentlichen Teilen ist.
Anwalt für Strafrecht: Mord
Wie die Blutrache im Kontext zum Mord aus niedrigen Beweggründen zu sehen ist, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 365/23) in seinem Beschluss vom 16. April 2024 entschieden. Der Angeklagte suchte mit weiteren Personen den Geschädigten auf, um Geld einzutreiben. Dabei ging es dem Angeklagten jedoch auch darum, die durch die Zahlungsweigerung beeinträchtigte Familienehre wiederherzustellen. Bei einem Treffen verletzte der Angeklagte den Geschädigten mit einem Messer tödlich. Nachdem das Landgericht Hannover dies als Totschlag eingestuft hatte, wies der Bundesgerichtshof darauf hin, dass das Landgericht bei einer gebotenen Prüfung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe, möglicherweise zu einer Strafbarkeit wegen Mordes gelangt wäre. Demnach kam es bei der Tat in hohem Maße darauf an, die Familienehre wiederherzustellen. Eine Tötung aus Blutrache ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofes regelmäßig als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos anzusehen. Der Täter erhebe sich durch das selbst gefällte Todesurteil über die Rechtsordnung und einen anderen Menschen.
Anwalt für Strafrecht: Versuchter Mord
Zu den Voraussetzungen des Rücktritts äußerte sich der Bundesgerichtshof (2 StR 77/24) in seinem Beschluss vom 13. März 2024. Der Angeklagte fuhr zu seiner Ex-Freundin, um diese zur Rede zu stellen. Dabei führte er ein Messer mit, womit er der Geschädigten zwei Schnittverletzungen im Halsbereich zufügte. Die Geschädigte blutete massiv. Nachdem der Angeklagte seine Ex-Freundin mit dem Messer geschnitten hatte, verließ er die Tatörtlichkeit. Die Geschädigte hatte in der Zwischenzeit die Tür geschlossen. Die Verletzungen, die der Angeklagte der Geschädigten zugefügt hatte, waren nicht konkret lebensgefährlich. Das Landgericht Aachen verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Der Bundesgerichtshof merkte in seinem Beschluss jedoch an, dass ein strafbefreiender Rücktritt hier nicht ausreichend geprüft wurde. Demnach muss neben dem äußeren Geschehensablauf auch das Vorstellungsbild des Angeklagten geschildert und berücksichtigt werden.
Anwalt für Strafrecht: Schlägerei
In seinem Beschluss vom 27. März 2024 befasste sich der Bundesgerichtshof (2 StR 337/23) mit der Schlägerei nach § 231 StGB. Der Angeklagte kam zu einer Auseinandersetzung hinzu und schlug dabei nach Eintreffen um sich. Eine der Personen in der Menschenmenge kippte während der Schlägerei durch eine nicht näher definierbare starke Impulswirkung nach hinten und verletzte sich dabei schwer am Hinterkopf, worauf 7 Operationen folgen mussten. Das Landgericht Aachen verurteilte den Angeklagten wegen Beteiligung an einer Schlägerei gem. § 231 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, deren Vollstreckung zu Bewährung ausgesetzt wurde. Die anschließende Revision des Angeklagten blieb erfolglos. Durch das Vorgehen des Angeklagten löste er eine Schlägerei aus, welche die Ursache für die schwere Verletzung des Nebenklägers ist. Auch ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund greift in diesem Fall nicht ein, da der Angeklagte durch das um sich herum schlagen zum einen auch Teilnehmer der Auseinandersetzung in Gefahr brachte, die nur verbal an der Auseinandersetzung teilnahmen und zum anderen stellt das eingesetzte Mittel kein angemessenes Mittel für die hier vorliegende Gefahr dar. Der Zeuge, den der Angeklagte dadurch verteidigen wollte, hätte sich dieser Situation auch problemlos entziehen können.
Anwalt für Strafrecht: Straßenverkehrsgesetz
Wie damit umzugehen ist, wenn jemand aus medizinischen Gründen Cannabis vor dem Autofahren konsumiert hat, musste das Oberlandesgericht Zweibrücken (1 Orbs 2 SsBs 22/23) in seinem Beschluss vom 22. August 2023 entscheiden. Der Betroffene wurde in seinem Fahrzeug von der Polizei angehalten, nachdem er drei Stunden zuvor Cannabis konsumiert hatte. Dieses wurde ihm aufgrund verschiedenster psychischer Probleme verschrieben. Seinem Attest zufolge ist es ihm erlaubt, bis zu einem Gramm Cannabis pro Tag zu konsumieren. Laut des Attestes ist dadurch seine Fahrtüchtigkeit bei stabiler Dosierung nicht eingeschränkt. Gegen den Betroffenen wurde von der zentralen Bußgeldstelle in Speyer eine Geldbuße von 1000,00 € wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung berauschender Mittel festgesetzt. Vom Amtsgericht wurde er daraufhin jedoch freigesprochen. Dem Freispruch und auch der hier nicht gegebenen fahrlässigen Tatbegehung stimmt auch das Oberlandesgericht zu. Demnach ist es dem Betroffenen nach § 24a Abs. 1 S. 3 StVG gestattet, ein Fahrzeug zu führen, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt. Der Angeklagte darf laut des Attests Auto fahren, wenn zwischen der Einnahme und der Fahrt 3 Stunden liegen. Die vorliegenden Umstände schließen darüber hinaus eine fahrlässige Begehungsweise aus.
Anwalt für Strafrecht: Berufsverbot
In seinem Beschluss vom 26. März 2024 äußerte sich der Bundesgerichtshof (4 StR 416/23) zum Berufsverbot gemäß § 70 StGB. Der Angeklagte arbeitete in seiner eigenen orthopädischen Praxis als Arzt. In Ausübung seiner Tätigkeit machte er sich des sexuellen Missbrauchs schuldig und wurde dafür zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Daneben wurde ihm untersagt, den Beruf des Arztes für die Dauer von 5 Jahren auszuüben. Für die Anordnung eines Berufsverbotes wurden jedoch nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte für die Gefährlichkeitsprognose berücksichtigt, wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss feststellte. Es hätte einbezogen werden müssen, dass der Angeklagte vorher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten war und die empfindliche Freiheitsstrafe den Angeklagten bereits nachhaltig beeindrucken könnte.