Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

Über das Auswahlmenü für Kategorien oder die Volltextsuche in der linken Spalte und auf der Suchseite können Sie die für sie interessanten Entscheidungen weiter einschränken.

Anwalt für Strafrecht: Schwarzfahren

Wer lediglich seine Monatskarte vergessen hat, macht sich nicht wegen "Schwarzfahrens" strafbar

Der Inhaber einer Monatskarte für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels, der die Karte entgegen den Beförderungsbedingungen nicht bei sich führt, erfüllt jedenfalls dann nicht den Tatbestand des § 265a StGB, wenn es sich um eine personengebundene, nicht übertragbare Karte handelt.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten des Erschleichens von Leistungen nach § 265a StGB schuldig gesprochen und ihn angewiesen, 20 Stunden Freizeitarbeiten abzuleisten.

Nach den Urteilsfeststellungen benutzte der Angeklagte am 05. April 2011 die U-Bahn der Linie 7 im Bereich des Bahnhofs B. ohne einen gültigen Fahrausweis, um das Fahrgeld nicht zu entrichten. Der vom Jugendschöffengericht für glaubhaft erachteten Einlassung des Angeklagten zufolge hatte dieser zwar eine Schülermonatskarte für den Monat April 2011, diese aber verloren, was ihm auf dem Weg zur U-Bahn aufgefallen war.

Die hiergegen gerichtete (Sprung-)Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und lediglich die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung begehrt, hat Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat unter Bezugnahme auf die obergerichtliche Rechtsprechung zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Jugendschöffengericht getroffenen Feststellungen den Schuldspruch nicht tragen und der Angeklagte freizusprechen ist.

Die Strafbarkeit nach § 265a StGB setze einen Vermögensschaden voraus, der darin liege, dass der Täter die Leistung eines Transportunternehmens in Anspruch nimmt, ohne diese bezahlt zu haben. Wenn es ein Verkehrsbetrieb einem Kunden ermöglicht, nach Bezahlen einer Monatskarte innerhalb eines zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs beliebige Fahrten zu unternehmen, erleide er nicht dadurch einen Vermögensschaden, dass der Fahrgast, der die Karte zuvor tatsächlich bezahlt hat, sie bei einer Kontrolle lediglich nicht bei sich führt (vgl. KG, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 3 Ws 201/08 -). Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob der Angeklagte die Mitnahme der Karte vergessen oder sie verloren hat. Soweit der Angeklagte in der Absicht handelte, das Fahrgeld nicht zu entrichten handele es sich um ein Wahndelikt.

Diese Ansicht, wonach bereits der objektive Tatbestand des Erschleichens von Leistungen nicht erfüllt ist, entspricht der herrschenden Meinung (vgl. OLG Koblenz NJW 2000, 86; BayObLG NJW 1986, 1504; Fischer, StGB 59. Aufl., § 265a Rn. 9, jeweils m.w.N.) und trifft jedenfalls für den hier gegebenen Fall zu, dass es sich bei dem Dauerfahrausweis um eine nicht übertragbare, also personengebundene Fahrkarte handelt. Ob anders zu entscheiden ist, wenn die Monatskarte übertragbar ist (dagegen OLG Koblenz aaO; dafür mit beachtlicher Argumentation Kudlich NStZ 2001, 90f.), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.

Soweit das Jugendschöffengericht darauf abgestellt hat, dass infolge Verlustes und Untergangs der Karte als Inhaberpapier im Sinne des § 807 BGB der Inhaber des Papiers "keine Leistung mehr einfordern" könne, hat es unzulässig die zivilrechtliche Seite mit der Frage der Strafbewehrung vermengt. Es hat übersehen, dass die vertragliche Verpflichtung, die Entgeltzahlung zu beweisen, also den Fahrausweis vorzuweisen, durch § 265a StGB nicht sanktioniert ist. Ein Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen ist von der Strafbarkeit nach § 265a StGB zu unterscheiden. Sinn der Pflicht zum Beisichführen des Fahrausweises ist die Beweiserleichterung, die darin liegt, dass nicht der Verkehrsbetrieb die Nichtzahlung, sondern der Fahrgast durch Mitführen des Fahrscheins die Zahlung des Entgelts nachzuweisen hat. Ist das Entgelt tatsächlich bezahlt worden, kann die bloße Nichteinhaltung einer derartigen Regelung eine Vermögensstraftat nicht begründen (vgl. OLG Koblenz und BayObLG, jeweils aaO).

KG Berlin, Beschluss vom 15. März 2012 - (4) 121 Ss 113/12 (149/12) -

Weitere Informationen zu Tatvorwürfen nach dem Strafgesetzbuch (StGB) finden Sie unter:

http://www.verteidiger-berlin.info/docs/anwalt-strafrecht.php

Anwalt für Strafrecht: Drogen

Das Lagern von Betäubungsmitteln in einer Wohnung, in der sich auch ein Waffenschrank mit Pistolen und Revolvern befindet, erfüllt nicht ohne Weiteres den Tatbestand des unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach §30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG.

Mit seinem Beschluss vom 15. Januar 2013 - 2 StR 589/12 hob der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach auf, durch das der Angeklagte unter anderem wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde.
Der Angeklagte hatte Marihuana aus den Niederlanden eingeführt und in seiner Wohnung gelagert, in deren Schlafzimmer er in einer unverschlossenen Schrankwand mehrere geladene Pistolen und Revolver aufbewahrte. Zusätzlich lag eine Pistole auf dem Nachttisch.
Nach Ansicht des BGH konnten diese Feststellungen eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens jedoch nicht tragen, weil es am Merkmal des Mitsichführens fehle. Dies liege nur vor, wenn der Täter die Schusswaffe bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich habe, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann. Dass der Angeklagte das Marihuana jedoch im Schlafzimmer bei den Waffen gelagert hat, habe das Landgericht nicht feststellen können. Lediglich in einem Fall wurde festgestellt, dass die Drogen im Wohnzimmer gelagert wurden. Dies begründe jedoch nicht ohne Weiteres, dass der Angeklagte während der Lagerung Schusswaffen mit sich geführt hat. Denn befindet sich die Waffe in einem Behältnis und in einem anderen Raum, so ist dies nach Ausführungen des BGH in der Regel nicht ausreichend. Auch auf die Pistole könne in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden, da das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob die Pistole geladen oder überhaupt entsprechende Munition vorhanden war.

Anwalt für Strafrecht: Beleidigung

Wer auf einem Volksfest ein T-Shirt mit dem sichtbaren Aufdruck "A.C.A.B." (all cops are bastards) trägt, macht sich nicht wegen Beleidigung strafbar.

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat mit seinem Urteil vom 01.10.2012, 1 St OLG Ss 211/12 eine Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen. Die Revision wurde auf die Verletzung des materiellen Rechts gestützt und richtete sich gegen den Freispruch des Angeklagten durch das Landgericht Regensburg.
Der Angeklagte hatte auf einem Volksfest ein T-Shirt mit der Aufschrift "A.C.A.B." getragen. Weil sieben Polizisten dies wahrgenommen hatten, wurde der Angeklagte wegen Beleidigung nach § 185 StGB verurteilt und in nächster Instanz wieder freigesprochen.
Diesen Freispruch bestätigte das OLG Nürnberg nun mit der Begründung, dass mangels ausreichender Individualisierung lediglich eine straflose Kollektivbeleidigung vorliegt. Außerdem könne dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden, dass er subjektiv in der Absicht gehandelt habe speziell die Polizisten beleidigen zu wollen, die ihren Einsatz auf dem Volksfest hatten. Auch die Argumentation der Staatsanwaltschaft, es sei für den Angeklagten vorhersehbar gewesen, dass die Aufschrift seines T-Shirts jederzeit von den Polizisten auf dem Volksfest gesehen werden würde, hielt das Gericht für unbegründet. Schließlich erfülle dieses Verhalten höchstens einen Fahrlässigkeitstatbestand.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Entziehung Fahrerlaubnis

Auch ein nicht im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr stehender Mischkonsum von Cannabis und Alkohol rechtfertigt die Annahme mangelnder Fahreignung.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der Mischkonsum von Cannabis und Alkohol selbst dann regelmäßig eine mangelnde Fahreignung begründet, wenn die Einnahme der Substanzen nicht im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr steht.

Der Kläger wandte sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Diese hatte die Behörde ausgesprochen, weil bei ihm ausweislich eines fachärztlichen Gutachtens ein gelegentlicher Cannabis-Konsum und Hinweise auf einen Mischkonsum mit Alkohol vorlägen; dies führe nach der Regelbewertung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zum Verlust der Fahreignung. Zwar habe er angegeben, seit einiger Zeit auf den Konsum von Cannabis verzichtet zu haben. Da er aber der Aufforderung, seine möglicherweise wiedergewonnene Fahreignung mittels eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nachzuweisen, nicht nachgekommen sei, könne nach § 11 Abs. 8 FeV auf eine mangelnde Fahreignung geschlossen werden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung des Klägers im Wesentlichen stattgegeben und die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, dass die genannte Bestimmung der Anlage zur Fahrerlaubnis-Verordnung einschränkend ausgelegt werden müsse. Für die Annahme mangelnder Fahreignung sei zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit erforderlich, dass in der Person des Betroffenen Besonderheiten bestünden, die befürchten ließen, dass gerade bei ihm im Falle des Mischkonsums von Cannabis und Alkohol ein fehlendes Trennungsvermögen zwischen dem Konsum und der Teilnahme am Straßenverkehr zu befürchten sei. Anhaltspunkte dafür seien beim Kläger nicht ersichtlich, so dass es der Behörde verwehrt gewesen sei, den Kläger zur Beibringung eines Fahr­eignungs­gutachtens aufzufordern. Demzufolge habe sie aus der Nichtvorlage des Gutachtens nicht auf eine fehlende Fahreignung schließen dürfen.

Das Bundesverwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt und hat auf die Revision des Beklagten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Nach Auffassung des Revisionsgerichts durfte der Verordnungsgeber der durch die kombinierte Rauschwirkung von Cannabis und Alkohol hervorgerufenen stärkeren Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit unabhängig davon Rechnung tragen, ob - wie der Verwaltungsgerichtshof angenommen hatte - die Bereitschaft des Mischkonsumenten, zwischen Drogenkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen, nicht hinter der des gelegentlichen Cannabiskonsumenten zurücksteht.

Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil des BVerwG vom 14. November 2013 - BVerwG 3 C 32.12 -

Anwalt für Strafrecht: Betrug

Wer im Rahmen eines Vaterschaftstests über seine Identität täuscht, um die Feststellung der Vaterschaft und somit seine Unterhaltspflicht zu verhindern, kann sich unter anderem wegen Urkundenfälschung, Missbrauch von Ausweispapieren und versuchten Betrugs strafbar machen.

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte am 30.09.2013 - (256 Ds) 232 Js 3662/12 (88/13) einen Mann wegen versuchter mittelbarer Falschbeurkundung in Tateinheit mit versuchter Personenstandsfälschung, versuchten Betruges und Missbrauchs von Ausweispapieren zu einer Geldstrafe.

Der Angeklagte hatte seinen Bruder gebeten, zu einem vom Gericht angeordneten Vaterschaftstest zu gehen. Hierdurch sollte die Feststellung seiner Vaterschaft und die daran anknüpfende Unterhaltspflicht verhindert werden.

Sein Bruder war daraufhin zu dem Termin erschienen und legte dabei nicht seinen, sondern den Ausweis des Angeklagten vor, mit dem der Vaterschaftstest eigentlich durchgeführt werden sollte. Der Bruder ließ einen Abdruck seines Daumens nehmen, ein Foto von sich machen, einen Schleimhautabstrich von sich nehmen und unterschrieb das Dokument zum Vaterschaftstest mit dem Namen des Angeklagten. Somit täuschte er vor, der Angeklagte zu sein. Auch der Bruder wurde wegen Beihilfe zum versuchten Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauch von Ausweispapieren zu einer Geldstrafe verurteilt.

Anwalt für Strafrecht: Strafrecht / Bande im Betäubungsmittelstrafrecht (BtMG)

Bandenmäßiges unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2001
- GSSt 1/00 - setzt der Begriff der Bande den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Abweichend von der früheren Rechtsprechung ist ein "gefestigter Bandenwille" oder ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse" nicht mehr erforderlich. Die Mitglieder der Bande können vielmehr in der Bande ihre eigenen Interessen an einer risikolosen und effektiven Tatausführung und Beute- oder Gewinnerzielung verfolgen. Diese neue Rechtsprechung gilt - unabhängig davon, ob sie sich zugunsten oder zu Lasten eines Angeklagten auswirkt - auch für "Altfälle". Danach unterscheidet sich die Bande von der Mittäterschaft durch das Element der auf eine gewisse Dauer angelegten Verbindung mehrerer Personen zu zukünftiger gemeinsamer Deliktsbegehung. Mitglied einer Bande kann auch sein, wem nach der - stillschweigend möglichen - Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeiten darstellen. Die Mitgliedschaft in einer Bande begründet daher noch nicht für sich die Mittäterschaft.

Die Frage, ob die Beteiligung an einer Tat Mittäterschaft oder Beihilfe ist, beurteilt sich auch beim bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Begriff des Handeltreibens wegen seiner weiten Auslegung jede eigennützige, den Umsatz fördernde Tätigkeit erfasst, selbst wenn es sich nur um eine gelegentliche, einmalige oder vermittelnde Tätigkeit handelt. Wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob ein Tatbeteiligter beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Mittäter oder nur Gehilfe ist, sind insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Mittäterschaft - ebenso wie die Beteiligung an einer Bande - durchaus Abstufungen nach dem Grad des Tatinteresses und des Tateinflusses zulässt.

BGH, Urteil vom 14. Februar 2002 - 4 StR 281/01 -

Weitere Informationen zum Drogenstrafrecht finden Sie unter:

http://www.verteidiger-berlin.info/docs/drogen-betaeubungsmittelstrafrecht.php

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Bedienungsanleitung Geschwindigkeitsmessgeräte

Befindet sich die Bedienungsanleitung eines in Verwendung geratenen standarisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte, ist das Tatgericht grundsätzlich nicht verpflichtet derartige Unterlagen vom Hersteller oder der Polizei auf Antrag der Verteidigung beizuziehen.

Befindet sich die Bedienungsanleitung eines in Verwendung geraten standarisierten Messverfahrens bei der Gerichtsakte hat das Tatgericht auf entsprechendes Akteneinsichtsgesuchs diese dem Verteidiger zur Verfügung zu stellen. Gleiches gilt für die Unterlagen, die das Tatgericht dem von ihm beauftragten Sachverständigen für sein Gutachten zur Verfügung stellt, was sich bereits daraus ergibt, dass diese Unterlagen Teil der Gerichtsakte sind und damit von dem umfassenden Akteneinsichtsrecht
(§§ 46 Abs.1 OWiG, 147 StPO) erfasst sind.

Anders verhält es sich hingegen, wenn die Bedienungsanleitung des standarisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte ist. In diesem Fall ist das Tatgericht grundsätzlich nicht verpflichtet, derartige Unterlagen vom Hersteller oder der Polizei auf Antrag der Verteidigung beizuziehen. Lehnt das Tatgericht wie hier einen derartigen pauschalen Antrag auf Beiziehung ab, begründet dies in der Regel weder einen Verstoß nach § 338 Nr. 8 StPO, noch einen nach § 244 StPO.

Hält der Tatrichter eine Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgeräts für seine Überzeugungsbildung für notwendig und macht damit seine Überzeugungsbildung von der Kenntnis des Inhalts dieser Anleitungen abhängig, dann muss er diese ordnungsgemäß als Beweismittel ins Verfahren einbringen, damit er sie in seiner Beweiswürdigung verwenden kann. Hält der Tatrichter hingegen die Kenntnisnahme oder Einsicht in die Bedienungsanleitung für seine Überzeugungsbildung nicht für notwendig, weil in aller Regel das Beweismittel für den ordnungsgemäßen Aufbau des konkreten Messgeräts der Messbeamte ist der die angegriffene Messung vorgenommen hat und das Tatgericht seine Überzeugungsbildung alleine auf dessen Zeugenaussage stützt, muss er die Bedienungsanleitung auch nicht beiziehen wenn sich aus der Aussage keine begründeten Zweifel ergeben, die die Beiziehung zu Beweiszwecken notwendig erscheinen lässt.

Entgegen der Ansicht der Verteidigung ergibt sich dies auch nicht daraus, dass für die Überprüfung des ordnungsgemäßen Aufbaus der Messstelle durch den Messbeamten die Kenntnis der Bedienungsanleitung notwendig ist. Bereits dieser Ansatz ist in seiner Pauschalität unzutreffend. Der Tatrichter hat nach dem Gesetz ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verpflichtet, verantwortlich zu prüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht. Insoweit darf er seine Befugnis nicht willkürlich ausüben und muss die Beweise unter Beachtung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse, den Gesetzen der Logik und Erfahrungssätzen des täglichen Lebens, erschöpfend würdigen. Er ist allerdings weder verpflichtet in den Urteilsgründen alle als beweiserheblich in Betracht kommenden Umstände ausdrücklich anzuführen, noch hat er stets im einzelnen darzulegen, auf welchem Wege und aufgrund welcher Tatsachen und Beweismittel er seine Überzeugung gewonnen hat.

Die Schilderung der Beweiswürdigung muss nur so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung auf Rechtsfehler ermöglicht. Dabei darf indes nicht aus dem Blick geraten, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung dient. Es ist auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet. Daher dürfen gerade in Bußgeldsachen an die Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden.

Hat das Tatgericht deswegen nach den Angaben des Messbeamten keine Zweifel daran, dass dieser das Messgerät ordnungsgemäß aufgebaut hat, reicht diese bloße Feststellung in den Urteilsgründen grundsätzlich aus. Nur wenn sich tatsachenfundierte begründete Zweifel ergeben, dass der Aufbau der Messstelle nicht ordnungsgemäß war und dieser Fehler sich ebenfalls tatsachenfundiert begründet generell auf die Messung auswirkt und im konkreten Fall tatsachenfundiert begründet auch ausgewirkt hat und zwar dergestalt, dass sich die konkrete Messung gegenüber dem Betroffenen nicht mehr durch die technisch eingebauten Toleranzen kompensiert als unverwertbar herausstellt, ist das Tatgericht verpflichtet dazu nähere Ausführungen zu machen. Tut es das nicht, besteht die Möglichkeit, dies mit einer zulässigen Verfahrensrüge in der Rechtsbeschwerde zu rügen.

Abstrakten Anträgen, wie vorliegend, die erst auf die Ermittlung möglicher Fehler gerichtet sind, ohne dass dafür konkrete tatsachenbelegte Anhaltspunkte ersichtlich sind, hat der Tatrichter hingegen nicht nachzugehen. Derartige einem Beweisantrag vorgelagerte Ermittlungen sind ureigene Aufgabe desjenigen, der diese Ermittlungen für notwendig hält.

Entgegen dem Vortrag der Verteidigung ergibt sich aus den zitierten OLG Entscheidungen auch nichts anderes. Den genannten Entscheidungen ist mit den tragenden Ausführungen gemein, dass die Bedienungsanleitungen bereits Teil der Gerichtsakte waren und aus anderen Gründen nicht an die Verteidigung herausgegeben worden waren.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12. April 2013 - Az. 2 Ss-Owi 173/13 -

Weitere Informationen zum Verkehrsrecht finden Sie unter:

www.verkehrsrechtskanzlei-berlin.info

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsstrafrecht / Vorsatz bei Trunkenheitsfahrt

Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr setzt voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt. Allein die hohe Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit rechtfertigt nicht den Schluss auf eine vorsätzliche Tatbegehung.

Das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 ?. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Angeklagte am 8. November 2011 gegen 13:58 Uhr mit dem Leichtkraftrad in Gosen die Straße am Müggelpark, geriet beim Anhalten aus dem Gleichgewicht und konnte an- schließend nur schwankend gehen. Die um 14:46 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,51 Promille. Er habe "erhebliche Ausfallerscheinungen? gehabt, die "dem lebenserfahrenen, 62jährigen Angeklagten nicht entgangen? sein können, so dass er zumindest billigend in Kauf genommen habe, zum sicheren Führen des Motorrades nicht mehr in der Lage gewesen zu sein. Ihm sei auch bei Antritt der Fahrt bewusst gewesen, "dass er noch am Vormittag weiteren Alkohol zu sich genommen? habe, der einen "Abbau des Restalkohols vom Vorabend zumindest verlangsamte?.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.

Dem OLG Brandenburg reichen die Feststellungen des Amtsgerichtes für die Annahme eines Vorsatzes nicht.

Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr setzt voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt. Allein die hohe Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit rechtfertigt anerkanntermaßen nicht den Schluss auf eine vorsätzliche Tatbegehung; vielmehr müssen weitere auf einen Vorsatz hindeutende Umstände hinzutreten. Zu würdigen sind dabei insbesondere - soweit feststellbar - die Täterpersönlichkeit, der Trinkverlauf, der Zusammenhang zwischen Trinkverlauf und Fahrtantritt sowie das Verhalten des Täters vor und während der Fahrt (vgl. Senat, Beschl. vom 13. Juli 2010 - 2 Ss 21/10; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Februar 2012 - 3 RVs 8/12).

Das Amtsgericht hat die insoweit zu berücksichtigenden Umstände nur lückenhaft gewürdigt und zu einseitig auf die - auch erst beim Absteigen vom Motorrad festgestellten - motorischen Unsicherheiten abgestellt. Bei einer hohen Blutalkoholkonzentration treten häufig Ausfallerscheinungen auf, die für eine Kenntnis des Fahrers von seiner Fahruntüchtigkeit sprechen können. Insoweit ist jedoch stets zu beachten, dass bei fortschreitender Trunkenheit das kritische Bewusstsein und die Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung abnehmen, das subjektive Leistungsgefühl des Alkoholisierten hingegen infolge der Alkoholeinwirkung häufig gesteigert wird mit der Folge, dass der Fahrer seine Fahruntüchtigkeit falsch einschätzt (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Die Fähigkeit einer entsprechenden Selbsteinschätzung ist dabei regelmäßig umso geringer, je weiter der Entschluss zur Fahrt vom Trinkende entfernt liegt (OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 86).

Unter diesem Gesichtspunkt hätte das Amtsgericht sich näher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte hier womöglich die Wirkung des auf den Konsum am Vorabend zurückzuführenden Restalkohols verkannt hat. Dazu bestand insbesondere deshalb Veranlassung, weil nach den Urteilsfeststellungen nicht auszuschließen ist, dass die Fahruntüchtigkeit wesentlich auf den Alkoholkonsum am Vortag zurückzuführen ist und der Alkoholgenuss am Vormittag des Tattages "einen Abbau des Restalkohols vom Vorabend" lediglich verlangsamt hat. Darüber hinaus hat das Tatgericht nicht gewürdigt, dass der Angeklagte nach den Feststellungen in den Morgenstunden gegen 8:00 Uhr ein Medikament zur Blutdrucksenkung eingenommen hat, und hat insoweit nicht in Betracht gezogen, dass die Fähigkeit des Angeklagten zur Einschätzung seiner Fahrtüchtigkeit hierdurch möglicherweise beeinflusst sein konnte. Im Übrigen beruhen die getroffenen Feststellungen zu den Ausfallerscheinungen allein auf Erkenntnissen bei und nach Beendigung der Fahrt. Inwieweit diese Erkenntnisse hier Rückschlüsse auf den - für das Bewusstsein von der Fahruntüchtigkeit maßgeblichen - Zeitpunkt der vorangegangenen Fahrt zulassen, hat das Amtsgericht ebenfalls nicht erwogen. Ob der Angeklagte auffällig und fehlerhaft gefahren ist - und womöglich deshalb einer Verkehrskontrolle unterzogen wurde - ist nicht festgestellt.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 05. Februar 2013 - Az. (2) 53 Ss 1/13 (4/13) -

Weitere Informationen zum Verkehrsstrafrecht finden Sie unter:

www.verteidiger-berlin.info/docs/anwalt-verkehrsstrafrecht.php

Anwalt für Strafrecht: Sachbeschädigung durch "Tags" mit Edding

Eine Veränderung des Erscheinungsbildes durch Markierungen bzw. Tags mit einem Edding-Stift ist nur unerheblich, wenn sie völlig unauffällig bleibt, z. B. aufgrund schon vorangegangener Schmierereien durch Dritte.

Nach § 303 Abs. 2 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert. Dabei wird unter Veränderung des Erscheinungsbildes jede Umgestaltung ihres Äußeren verstanden. Entscheidend ist dabei der optische Eindruck einer Sache.

Unter Zugrundelegung dieses Ansatzes kann zunächst darauf abgestellt werden, dass durch Markierungen mit einem Edding-Stift durchaus eine Veränderung des visuellen Eindrucks des Fahrzeugs entsteht. Allerdings darf diese Veränderung nicht nur unerheblich sein.

Nur unerheblich ist eine Veränderung des Erscheinungsbildes indes, wenn sie völlig unauffällig bleibt, z. B. aufgrund schon vorangegangener Schmierereien bzw. Graffiti durch Dritte.

Nach diesen Maßstäben können die Markierungen mit einem Edding-Stift nicht als erheblich angesehen werden, soweit sich ergibt, dass die Sache - im vorliegenden Fall ein Fahrzeug - bereits mit zahlreichen Farbbemalungen versehen war, bevor weitere Markierungen gesetzt wurden. Anders wäre zu entscheiden, wenn diese neben den vorhandenen Bemalungen erheblich und eindeutig zu erkennen wären, nicht jedoch soweit der Beseitigungsaufwand durch diese zuletzt aufgetragenen Markierungen nur unwesentlich erhöht werden würde.

OLG Hamm, Beschluss vom 21. April 2009 - 1 Ss 127/09 -

Weitere Informationen zum Strafrecht finden Sie unter:

www.verteidiger-berlin.info/docs/anwalt-strafrecht.php

Anwalt für Strafrecht: Alkohol am Steuer

Derjenige, der unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug auf einem durch Schranken verschlossenem Parkplatz führt, macht sich nicht wegen vorsätzlicher Trunkenheit am Steuer (Trunkenheitsfahrt) strafbar, da sich der Parkplatz in diesem Fall nicht im öffentlichen Verkehrsraum befindet.

Mit Beschluss vom 30.1.2013 - 4 StR 527/12 hat der BGH eine Entscheidung des Landgerichts Halle aufgehoben, in dem der Angeklagte unter anderem wegen vorsätzlicher Trunkenheit am Steuer verurteilt wurde, weil er betrunken auf einem Parkplatzgelände Auto gefahren ist. Da der Parkplatz allerdings durch Schranken abgesperrt wurde, gehörte er nach Ansicht des BGH nicht mehr zum öffentlichen Verkehrsraum, weswegen auch die Verurteilung nicht aufrechterhalten werden konnte.
Der BGH führte dazu aus, dass zum öffentlichen Verkehrsraum zunächst einmal alle Verkehrsflächen gehören, die dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind, wie beispielsweise Straßen, Plätze und Fußwege. Ferner würden auch Plätze und Wege dazu gehören, die ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen seien. Ob der Verkehr geduldet werde, hänge dabei von den auf die für etwaige Besucher erkennbaren Umstände ab. Die Zugehörigkeit einer Fläche zum öffentlichen Verkehrsraum endet nach Ansicht des BGH allerdings, wenn der Verfügungsberechtigte eine äußerlich manifestierte Handlung vornimmt, die unmissverständlich erkennbar macht, dass der öffentliche Verkehr nicht oder nicht mehr geduldet wird. Diese sei mit dem Schließen der Schranke gegeben.