Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

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Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht / Beschuldigtenvernehmung

Ein im Rahmen einer polizeilich durchgeführten Vernehmung abgelegtes Geständnis darf gemäß § 136a StPO im Verfahren nicht verwertet werden, wenn der Betroffene vorher ca. 38 Stunden nicht geschlafen hat und sich körperlich und psychisch im Zustand der Übermüdung befindet.

In seinem Beschluss vom 21.10.2014 - 5 StR 296/14 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) sich mit der Verwertbarkeit eines im Zustand der Übermüdung abgelegten Geständnisses des Beschuldigten zu befassen. § 136a StPO ordnet dazu an, dass die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des Beschuldigten bei seiner Vernehmung nicht durch Ermüdung beeinträchtigt werden darf.

Eine solche Beeinträchtigung ist nach Ansicht des BGH jedoch nicht von der Hand zu weisen, wenn der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Vernehmung schon ungefähr 38 Stunden nicht mehr geschlafen hat und sowohl körperlich als auch seelisch tiefgreifend entkräftet ist.

Dem steht nach Ausführungen des BGH auch der subjektive Eindruck des vernehmenden Polizeibeamten, der Beschuldigte habe weder betäubt noch übermüdet gewirkt, nicht entgegen. Ebenso sei nicht erforderlich, dass sich der Beschuldigte ausdrücklich auf die Müdigkeit beruft. Ein Geständnis, das in einem solchen Zustand der Übermüdung gemacht werde, dürfe gemäß § 136a Abs. 3 S. 2 StPO nicht verwertet werden.

Damit hob der BGH die Verurteilung der Angeklagten wegen Totschlags auf. Sie hatte ihr Baby direkt nach der Geburt erstickt und wurde 38 Stunden nach der Tat von der Polizei vernommen, obwohl sie in der Zwischenzeit nicht geschlafen und mehrere körperliche Zusammenbrüche erlitten hatte, die auch stationär behandelt werden mussten. Nach mehreren, sich in dieser Zeitspanne abspielenden, polizeilichen Vernehmungen hatte die Beschuldigte schließlich das Geständnis abgelegt.

Anwalt für Strafrecht: unbefugte Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs

Die unbefugte Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs ist regelmäßig nicht nach § 248b StGB strafbar, wenn das Fahrzeug nur benutzt wird, um es dem Berechtigten zurückzubringen.

In seinem Beschluss vom 24.6.2014 - 2 StR 73/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die unberechtigte Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs in der Regel dann nicht gemäß § 248b StGB strafbar ist, wenn sie allein zum Zwecke der Rückführung an den Berechtigten vorgenommen wird.

Zwar liegt keine ausdrückliche Gestattung in Form eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses vor. Nach Ansicht des BGH erfolgt die Rückführung des Fahrzeugs aber dennoch nicht gegen den Willen des Berechtigten, sondern ist regelmäßig von dessen mutmaßlichen Willen gedeckt. Denn die Nutzung des Fahrzeugs als Fortbewegungsmittel sei in diesen Fällen gerade nicht auf die Verletzung der uneingeschränkten Verfügungsmöglichkeiten des Berechtigten, sondern vielmehr auf die Wiedereinräumung gerichtet.
Damit hob der BGH die Verurteilung eines Angeklagten auf, der sich bei einer Mietwagenfirma ein Auto gemietet und dies erst nach Ablauf der Mietzeit zurückgebracht hatte. Da der Angeklagte das Auto tatsächlich nur für die Rückführung in Gebrauch genommen hatte, nahm der BGH ein tatbestandsausschließendes Einverständnis der Mietwagenfirma an.

Anwalt für Strafrecht: Straßenverkehrsrecht / Telefonieren am Steuer

Ein Mobiltelefon darf im Fahrzeug benutzt werden, wenn das Fahrzeug steht und der Motor dabei infolge einer automatischen Start-Stopp-Funktion ausgeschaltet ist.

In seinem Beschluss vom 9.9.2014 - 1 RBs 1/14 hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden, dass das ''Telefonieren'' auch bei einem automatisch abgeschalteten Motor zulässig ist, der durch das Gaspedal wieder in Gang gesetzt werden kann. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass das Fahrzeug tatsächlich steht und der Motor aus ist, damit dem Fahrzeugführer beide Hände für die eigentlichen Fahraufgaben zur Verfügung stehen.

Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, macht es für das OLG Hamm keinen Unterschied, ob der Motor zuvor durch den Fahrer mittels Betätigen der Zündung manuell oder durch Abbremsen bzw. dem Stillstand des Fahrzeugs automatisch abgeschaltet wurde.

Mit diesem Beschluss gab das OLG Hamm der Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen ein Urteil des Amtsgerichts statt, durch das der Betroffene zu Unrecht wegen verbotenen ''Telefonierens mit einem Handy'' zu einer Geldbuße von 40 Euro verurteilt wurde.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht / faires Verfahren

Ein Beschuldigter, der der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, hat das Recht auf die Übersendung einer Übersetzung der Anklageschrift, welche ihm in der Regel schon vor der Hauptverhandlung zugehen sollte.

Dazu gehöre insbesondere die Übersendung einer Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache. Diese soll dem Beschuldigten nach Ausführungen des BGH in der Regel schon vor der Hauptverhandlung zugehen. Eine mündliche Übersetzung könne dagegen nur in Ausnahmefällen genügen, namentlich wenn der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen sei.

Grundsätzlich sprach sich der BGH jedoch dafür aus, dass nur durch die Mitteilung der übersetzten Anklageschrift die durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) EMRK gewährleistete Information des Beschuldigten über den Tatvorwurf in allen Einzelheiten bewirkt werden kann. Zudem warnte er vor einer eventuellen Beschneidung der Erklärungsrechte des Angeschuldigten nach § 201 StPO, wenn dieser nicht umfassend und zeitnah über den Anklagevorwurf unterrichtet werde.

Anwalt für Strafrecht: Unterschlagung

Wird der Tatbestand der Unterschlagung zugleich mit einem anderen Delikt verwirklicht, das eine abstrakte Strafandrohung von mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, so darf keine Verurteilung wegen Unterschlagung ergehen.

In seinem Beschluss vom 24. Juli 2014 - 3 StR 188/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass die Subsidiaritätsklausel des § 246 Abs. 1 StGB nicht nur im Verhältnis zu Zueignungsdelikten gilt.

Gemäß § 246 Abs. 1 darf man nur wegen Unterschlagung bestraft werden, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Da die Unterschlagung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren sanktioniert wird, muss das andere in Betracht kommende Strafgesetz eine Strafandrohung von mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe vorsehen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es aber egal, ob es sich bei der anderen Tat auch um ein Zueignungsdelikt handelt. Vielmehr kommt jede Norm mit einer Strafandrohung von mehr als drei Jahren in Betracht.

Damit verwarf der BGH ein Urteil des Kammergerichts Berlin, durch das der Angeklagte wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in Tateinheit mit Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten zur Bewährung verurteilt wurde. Da das Kammergericht bei der Zumessung der Strafe ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hatte, dass er zwei Straftatbestände verwirklicht hat, konnte der BGH eine niedrigere Freiheitsstrafe bei ordnungsgemäßer Anwendung der Konkurrenzen nicht ausschließen.

Anwalt für Strafrecht: Strafvollzug / Unterbringung

Nichtrauchende Strafgefangene haben einen Anspruch in Gemeinschaftszellen mit Nichtrauchern untergebracht zu werden, es sei denn, sie stimmen der gemeinschaftlichen Unterbringung mit Rauchern ausdrücklich zu.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in seinem Beschluss vom 03.07.2014 1 Vollz (Ws) 135/14 entschieden, dass Strafgefangene, die nicht rauchen, einen Anspruch darauf haben, in
einer Gemeinschaftszelle mit anderen Nichtrauchern untergebracht zu werden. Etwas anderes
gilt nur, wenn vorher eine ausdrückliche Erklärung des Nichtrauchers eingeholt wird.

Damit gab das OLG Hamm einem Betroffenen Recht, der in der Justizvollzugsanstalt in Essen vier
Tage in einer Gemeinschaftszelle untergebracht wurde, in der sich auch rauchende Mitgefangene
aufhielten. Das OLG Hamm gab ihm nun Recht.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht

Eine Revisionshauptverhandlung darf nicht ohne die Anwesenheit des vom Angeklagten gewählten Verteidigers durchgeführt werden.

Mit seiner Verfügung vom 25.9.2014 - 2 StR 163/14 gab der Bundesgerichtshof (BGH) bekannt, dass Revisionshauptverhandlungen nicht mehr in Abwesenheit der Angeklagten und ihrer gewählten Verteidiger durchgeführt werden dürfen. Zukünftig soll der Wahlverteidiger, wenn er mitteilt, dass er nicht zur Hauptverhandlung erscheinen wird, in der Regel zum Pflichtverteidiger bestellt werden, um die Durchführung des Verfahrens zu sichern. Eine Verhandlung ohne den Verteidiger sei insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass die Revision zum BGH das einzige Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile der Landgerichte und Oberlandesgerichte ist, nicht mit Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar. Der Angeklagte könne nicht ohne jegliche Vertretung an einer womöglich folgenschweren Revisionshauptverhandlung teilnehmen, da er sein Recht auf rechtliches Gehör sonst jedenfalls faktisch nicht wahrnehmen könne.

Anwalt für Strafrecht: Strafverteidigung

Ein Strafverteidiger hat keinen grundsätzlichen Anspruch auf den Ausdruck einer kompletten e-Akte zum Zweck der sachgerechten Verteidigung, wenn ihm die komplette Akte auch dauerhaft in digitalisierter Form als Arbeitsgrundlage zur Verfügung steht.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in einer kürzlich veröffentlichen Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass für einen Strafverteidiger zum Zweck der sachgerechten Verteidigung kein grundsätzlicher Anspruch auf den Ausdruck einer e-Akte besteht. Vielmehr sei es dem Verteidiger zuzumuten, sich zunächst mit Hilfe der e-Akte in den Sachverhalt einzuarbeiten und erst auf dieser Grundlage zu entscheiden, welche Aktenbestandteile auch in Papierform für die weitere Verteidigung benötigt werden. Die Dokumentenpauschale, über die Druckkosten ersetzt werden können, berechtige den Verteidiger nicht zum wahllosen Ausdruck aller überreichten Datenträger, sondern sei auf diejenigen digitalisierten Aktenteile beschränkt, die das Verfahren betreffen. Das OLG Düsseldorf verwies in seiner Pressemitteilung auf zwei Entscheidungen, in denen es sich mit unverhältnismäßigen Auslagen zu beschäftigen hatte. In einem Fall hatte es den geltend gemachten Vorschuss auf voraussichtlich entstehende Auslagen in Höhe von 67.262 ? auf 14.044 ? gekürzt.

Anwalt für Strafrecht: Strafvollzug

Eine Justizvollzugsanstalt muss einem Strafgefangenen auf sein Verlangen Unterwäsche und Socken für einen täglichen Wechsel bereitstellen, um dem vollzuglichen Ziel, dem Betroffenen die Eingliederung in das Leben in Freiheit zu erleichtern, nachzukommen.

In seinem Beschluss vom 14.08.2014 - 1 Vollz (Ws) 365/14 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm, dass einem Strafgefangenen auf sein Verlangen Unterwäsche und Socken für einen täglichen Wechsel bereitgestellt werden müssen. Die bisherige Praxis in einer westfälischen Justizvollzugsanstalt, dem Betroffenen wöchentlich vier Garnituren Unterwäsche und zwei Paar Socken zu stellen, sah das OLG Hamm als unzureichende Ausstattung mit Anstaltskleidung an, die auch eine unzureichende Körperhygiene zur Folge haben könne. Eine unzureichende Körperhygiene könne wiederum den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben und soziale Kontakte mit Mitmenschen erschweren. Dies sei mit Blick auf das vollzugliche Ziel, dem Gefangenen zu helfen, sich nach der Haftentlassung wieder in das Leben in Freiheit einzugliedern, nicht vereinbar.

Insofern sei es geboten, dem Betroffenen mit einem täglichen Kleiderwechsel eine Angleichung an die allgemeinen Lebensverhältnisse zu ermöglichen.

Anwalt für Strafrecht: Bedrohung

Der Ausspruch "Du bist ein toter Mann" führt nicht zu einer tateinheitlichen Verurteilung wegen Bedrohung, wenn ihm neben der Tat kein eigenständiger Unrechtsgehalt mehr zukommt.

In seinem ''Beschluss vom 26. Juni 2014 - 2 StR 110/14'' korrigierte der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Erfurt dahingehend, dass der Angeklagte sich nicht des schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Bedrohung strafbar gemacht hat. Dazu führte er aus, dass der Ausspruch "Du bist ein toter Mann" nicht zu einer eigenständigen Strafbarkeit führen kann, wenn ihr neben der Tat kein eigenständiger Unrechtsgehalt mehr zukommt. Dies war vorliegend der Fall, da der Angeklagte bei dem Diebstahl Gewalt angewandt hatte. Ob der Ausspruch im Kontext des Gesamtgeschehens tatsächlich als eine ernstzunehmende Bedrohung im Sinne des § 241 StGB gesehen werden konnte, konnte somit dahingestellt bleiben.