Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Allein die vorherige Kenntnis von Diebstählen einer anderen Person und der Wille, diese als gemeinsame Taten anzusehen, begründen keine Mittäterschaft.

In seinem Beschluss vom 29.09.2015 - 3 StR 336/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Entscheidung des Landgerichts Mainz aufgehoben, durch die der Angeklagte wegen gemeinschaftlich begangenen besonders schweren Diebstahls verurteilt wurde. Der Angeklagte lagerte Beute, die der Mitangeklagte jeweils allein in einem Baumarkt entwendet hatte, bei sich zuhause und versuchte diese über Ebay zu verkaufen.
Der BGH beanstandete die Entscheidung mit der Begründung, dass allein die vorherige Kenntnis des Angeklagten von den Taten des Mitangeklagten und sein Wille, diese Taten als gemeinsame anzusehen, eine Mittäterschaft nicht begründen können. Zwar erfordert Mittäterschaft nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst. Auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt, kann ausreichend sein. Die Lagerung und Verwertung der Beute stellen jedoch nach Ansicht des BGH allenfalls Beteiligungshandlungen an den Diebstahlstaten des Mitangeklagten dar. Auf eine Tatherrschaft oder den Willen der Täterschaft könne dabei nicht geschlossen werden, da der Mitangeklagte die Taten allein und ohne Einfluss des Angeklagten begangen hatte.

Anwalt für Strafrecht: Erteilung eines Fahrverbots

Wer innerhalb eines Zeitraums von unter drei Jahren mehrere einfache Verkehrsverstöße begeht, kann mit einem einmonatigen Fahrverbot belegt werden.

Nach einem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 17.09.2015 - 1 RBs 138/15 kann nicht nur bei Verkehrsstraftaten, sondern auch bei einfachen Ordnungswidrigkeiten ein Fahrverbot erteilt werden. Dies gilt allerdings nur, wenn mehrere einfache Ordnungswidrigkeiten innerhalb eines kürzeren Zeitraums begangen werden und sich dadurch die mangelnde rechtstreue Gesinnung des Betroffenen zeigt. Wann dies der Fall ist, soll von den Gerichten anhand der Anzahl der Vorverstöße, ihrem zeitlichen Abstand und ihrem Schweregrad beurteilt werden.
Das OLG Hamm hat damit die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen zurückgewiesen, dem ein einmonatiges Fahrverbot erteilt wurde. Er hatte drei Handyverstöße begangen und zweimal die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit jeweils 22 km/h überschritten. Das Fahrverbot führt dazu, dass für die angeordnete Zeit ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr nicht geführt werden darf. Im Gegensatz zur Entziehung der Fahrerlaubnis bleibt bei einem Fahrverbot die Fahrerlaubnis selbst aber bestehen. Der Führerschein muss in dieser Zeit jedoch abgegeben werden.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht : Unwirksamkeit eines Eröffnungsbeschlusses

Will das Landgericht (große Strafkammer) das Hauptverfahren hinsichtlich einer weiteren Anklage eröffnen und diese mit dem laufenden Verfahren verbinden, so müssen an dem Eröffnungsbeschluss drei Berufsrichter mitwirken. Andernfalls ist der Eröffnungsbeschluss unwirksam.

Gegen den Angeklagten wurde ein Verfahren unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor dem Landgericht Frankfurt geführt. Nach Beginn der Hauptverhandlung teilte der Vorsitzende mit, dass das Verfahren mit einer weiteren gegen den Angeklagten anhängigen Sache verbunden werden soll. Zu diesem Zeitpunkt war die zuständige große Strafkammer mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt.
Diese Besetzung beanstandete der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 20.05.2015 - 2 StR 45/14 und erklärte den Eröffnungsbeschluss des Landgerichts für unwirksam. Grund dafür ist, dass für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Strafkammer zuständig ist, die auch außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden hat. Dies ist gemäß § 76 Abs. 1 GVG die Kammer mit drei Berufsrichtern. Da Schöffen mangels Aktenkenntnis nicht das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts beurteilen können, dürfen sie am Eröffnungsbeschluss nicht mitwirken. Trifft die Strafkammer in einer Besetzung von zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens, so liegt nach dem Urteil des BGH ein schwerer Verfahrensfehler vor, der zur Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses führt. Außerdem kann in diesem Fall in der Regel die nicht vorschriftsgemäße Besetzung des Gerichts gerügt werden, die als absoluter Revisionsgrund zur Aufhebung des Urteils führt.

Anwalt für Strafrecht: Misshandlung von Schutzbefohlenen

Ein Quälen im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB setzt neben dem Vorsatz nicht zusätzlich auch eine besonders böswillige Gesinnung oder Gefühllosigkeit voraus.

Mit Urteil vom 04.08.2015 - 1 StR 624/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, dass ein "Quälen" im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB keine besonders verwerfliche Gesinnung oder eine besondere Gefühllosigkeit des Täters erfordert. Für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ist es ausreichend, dass durch ein bestimmtes Verhalten länger andauernde oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder (auch seelische) Leiden verursacht werden.
Der Entscheidung lag die bewusst unterlassene medizinische Behandlung eines schwer kranken Jungen zugrunde. Dessen Eltern waren der Auffassung, die bei ihrem Sohn vorliegende Krankheit Mukoviszidose, welche eine umfangreiche und aufwendige medizinische Behandlung erforderte, würde sich auch durch regelmäßiges Meditieren und gesunde Ernährung heilen lassen. Der Abbruch der medizinischen Behandlung führte jedoch zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei dem Jungen, infolge dessen er auch starke Schmerzen sowie Atemnot erlitt. Obwohl die Eltern erkennbar nicht in gezielt böswilliger Absicht handelten, sah der BGH eine Quälerei im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB gegeben und verurteilte die Eltern zu mehrjährigen Haftstrafen.

Anwalt für Strafrecht: Falsche Verdächtigung

Wer dem Täter einer Ordnungswidrigkeit dabei hilft, die Tat zu verdecken, indem er sich selbst bei der Behörde als Täter bezichtigt, der macht sich wegen Beihilfe zu einer in mittelbarer Täterschaft begangenen falschen Verdächtigung strafbar.

In seinem Urteil vom 23.07.2015 - 2 Ss 94/15 hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart über das kollusive Zusammenwirken von zwei Personen gegenüber der Ordnungsbehörde bei zu schnellem Fahren entschieden. Die beiden Angeklagten hatten die Ordnungsbehörde bewusst in die Irre geführt, nachdem einer von ihnen beim zu schnellen Fahren geblitzt wurde. Der andere Angeklagte gab sich daraufhin gegenüber der Ordnungsbehörde als vermeintlicher Fahrer des Autos aus und sorgte so dafür, dass die Ordnungswidrigkeit für den tatsächlichen Fahrer verjährte. Das OLG Stuttgart bestätigte nun, dass sich derjenige, der sich in einem solchen Fall bei der Behörde wider besseren Wissens selbst bezichtigt, wegen Beihilfe zur falschen Verdächtigung gemäß §§ 164 Abs. 2, 27 Abs. 1 StGB strafbar macht. Die Selbstbezichtigung erfüllt zwar nicht den Tatbestand der falschen Verdächtigung, weil grundsätzlich eine andere Person verdächtigt werden muss. Indem man sich jedoch in Absprache mit der tatsächlich geblitzten Person als vermeintlicher Fahrer ausgibt, leistet man nach der Entscheidung des OLG Stuttgart aber einen Beitrag zur Beeinträchtigung der Rechtspflege. Man macht sich demnach wegen Beihilfe zu der vom Haupttäter in mittelbarer Täterschaft begangenen falschen Verdächtigung strafbar.

Anwalt für Strafrecht: Erteilung des letzten Wortes

Der Angeklagte verwirkt auch dann nicht sein Recht zur Ausübung des letzten Wortes, wenn er der Verhandlung zuvor eigenmächtig ferngeblieben ist.

In einem Strafprozess hat der Angeklagte das Recht des letzten Wortes. Bevor das Gericht die Beweisaufnahme schließt und sich zur Urteilsverkündung zurückzieht, muss dem Angeklagten die Gelegenheit zur Ausübung dieses Rechtes gegeben werden.
Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 02.02.2015 - 1 Ss 6/15 gilt dies auch in den Fällen, in denen die Beweisaufnahme ohne den Angeklagten stattfinden musste, weil dieser sich zuvor eigenmächtig entfernt hatte. Ist der Angeklagte zur Urteilsverkündung wieder anwesend, so muss das Gericht ihm die Möglichkeit der Stellungnahme auch dann geben, wenn das Urteil schon besprochen und das Gericht zur Verkündung bereit ist. Dies gebietet die Stellung des Rechtes zur Ausübung des letzten Wortes im Strafprozess, das nicht durch das eigenmächtige Fernbleiben von der Hauptverhandlung verwirkt werden kann.

Anwalt für Strafrecht: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Wer als Kurier für den Transport von Betäubungsmitteln sorgt, macht sich in der Regel nicht wegen mittäterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar. Hier kommt lediglich eine Beihilfe in Betracht.

In seinem Beschluss vom 09.09.2015 - 4 StR 347/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut über die Einordnung der Beteiligung des Kuriers an einem Drogengeschäft entschieden.
Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BGH ist bei der Beurteilung der Rolle des Kuriers der jeweils konkrete Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt zu bewerten. Beschränkt sich die Tathandlung auf den bloßen Transport von Drogen zwischen den selbstständig handelnden Lieferanten und Abnehmern, ohne dass der Kurier das Geschäft insgesamt maßgeblich mitgestalten kann, so liegt in der Regel lediglich eine Beihilfe vor. Mittäterschaftliches Handeltreiben liegt erst dann vor, wenn der Kurier erhebliche, über den Transport hinausgehende Tätigkeiten vornimmt. Dazu gehört etwa eine unmittelbare Beteiligung am An- und Verkauf des Rauschgiftes oder am Gewinn.
Im zu verhandelnden Fall beschränkte sich die Mitwirkung der Angeklagten auf die Anwesenheit beim Einbau der Drogen in den von ihr zur Verfügung gestellten Pkw und den eigenhändigen Transport an einen nicht näher genannten Abnehmer. Da sie das Geschäft an sich jedoch nicht maßgeblich mitgestalten konnte, kam eine Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht in Betracht.

Anwalt für Strafrecht: Räuberischer Diebstahl

Eine Nötigungshandlung beim Räuberischen Diebstahl gem. § 252 StGB kann auch noch vorliegen, wenn der Täter erst einige Zeit nach der Tat Gewalt gegen eine Person anwendet, die ihn zwar nicht auf frischer Tat betroffen, aber verfolgt hat (sog. Nacheile)

Der Angeklagte hatte gemeinsam mit anderen Beteiligten einen Geldautomaten aufgebrochen und fast 75.000 ? gestohlen. Polizeibeamte hatten die Tat von Anfang an beobachtet, waren jedoch nicht sofort eingeschritten. Erst nach einer ca. 30 minütigen Verfolgung versuchten Beamte eines Sondereinsatzkommandos, das an der Observation nicht beteiligt war, die Diebe festzunehmen. Um sich der Festnahme zu widersetzen, durchbrachen die Täter mit ihrem Auto die Umstellung der SEK-Beamten, wodurch sich ein Beamter eine Knieprellung zuzog.
Mit Beschluss vom 04.08.2015 - 3 StR 112/15 hat der BGH entschieden, dass in diesem Fall ein (besonders schwerer) räuberischer Diebstahl gem. §§ 252, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB vorliegt. Ein solcher setzt voraus, dass jemand bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen wird und dann Gewalt verübt oder Drohungen anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten. Zwar war die Tat bei der Festnahme durch das SEK nicht mehr wirklich "frisch" i.S.d. § 252 StGB. Jedoch waren die Diebe bereits durch die observierenden Polizeibeamten tatbestandlich auf frischer Tat betroffen. Dass sich die Nötigungshandlung (gewaltsames Zufahren mit dem Auto) dann erst später gegen einen SEK-Beamten richtete, der die Täter wiederum nicht selbst auf frischer Tat betroffen hatte, ist unschädlich. Ausreichend ist nach Ansicht des BGH nämlich, dass die Nötigungshandlung eine Folge des Betroffenseins ist, also in einem Zusammenhang dazu steht. Und dies ist im Rahmen der sogenannten Nacheile, also der sich an die Tatbegehung unmittelbar anschließenden ununterbrochenen Verfolgung, der Fall.

Anwalt für Strafrecht: Rücktritt vom Versuch

An der für den Rücktritt vom Versuch notwendigen Freiwilligkeit kann es fehlen, wenn der Täter aufgrund willensunabhängiger Tatumstände, beispielsweise wegen seelischen Drucks oder infolge eines Schocks, an der weiteren Tatbegehung gehindert ist.

Mit Urteil vom 28.05.2015 - 3 StR 89/15 hat der BGH über einen recht kuriosen Fall der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung entschieden. Nach den Feststellungen des Landgerichts Düsseldorf wollte der Angeklagte ein Juweliergeschäft überfallen. Um die Herausgabe des Schmuckes zu erzwingen, hatte er sich mit einem Elektroschocker bewaffnet. Da der Angeklagte jedoch ungeübt im Umgang mit dem Elektroschocker war, versetzte er sich bei dessen Einsatz zunächst selbst einen Stromschlag und gab anschließend mehrere unkontrollierte Stromstöße auf die Verkäuferin ab. Als diese daraufhin in Panik geriet und laut schrie, verlor der Angeklagte endgültig die Kontrolle über sein Handeln und wollte nur noch fliehen. Die Beute ließ er zurück.
Der BGH hat hier einen strafbefreienden freiwilligen Rücktritt vom Versuch gem. § 24 StGB abgelehnt. Auch wenn äußere Umstände der Tatvollendung nicht entgegenstanden, habe der Angeklagte die weitere Tatausführung trotzdem nicht freiwillig aus sich heraus aufgegeben. Denn aufgrund des erlittenen Schocks und infolge der sich auch bei ihm ausbreitenden Panik sei er unmittelbar vor dem Abbruch der Tat nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen, sodass er überhaupt keinen klaren Gedanken mehr über die Ausführung seines Tatplans fassen konnte. Vielmehr hätten ihn die genannten willensunabhängigen Tatumstände (Schock, Panik) zur Aufgabe der weiteren Tatausführung gezwungen. Ein strafbefreiender freiwilliger Rücktritt vom Versuch liege damit nicht vor.

Anwalt für Strafrecht: Hinweispflicht des Gerichts

Will das Gericht abweichend von der Anklage eine Verurteilung wegen Beihilfe anstelle von Mittäterschaft aussprechen, so muss es vorher einen rechtlichen Hinweis bezüglich dieser Veränderung erteilen.

Die Anklage im Strafprozess dient dazu, die Tat einzugrenzen und die einschlägigen Strafgesetze festzulegen. Will das Gericht aber im laufenden Strafverfahren von der Anklage abweichen und eine Verurteilung wegen eines anderen Strafgesetzes aussprechen, so muss es den Angeklagten gemäß § 265 Abs. 1 StPO darauf hinweisen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
Dies gilt nicht nur in Bezug auf den Straftatbestand, sondern auch für die maßgebliche Beteiligungsform, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Beschluss vom 02.09.2015 - 2 StR 49/15 betonte.
Der BGH hob damit die Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht Darmstadt auf. Dieses hatte den Angeklagten ohne die Erteilung eines entsprechenden Hinweises wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, obwohl die Anklage von einem Betrug in Mittäterschaft ausgegangen war. Auf diese Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes hätte jedoch hingewiesen werden müssen. Da der BGH nicht ausschließen konnte, dass das Urteil bei einem entsprechenden Hinweis zu einem für den Angeklagten günstigeren Urteil geführt hätte, wurde das Urteil aufgehoben.