Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.
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Anwalt für Strafrecht: Verständigung im Strafprozess
Die Verständigung im Strafprozess, also die Abmachung zwischen Angeklagtem und Gericht, gegen ein Geständnis eine geringere Strafe zu bekommen, kann für alle Beteiligten eine Erleichterung sein. Dies gilt allerdings nur, wenn das Gericht seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt und den Betroffenen über alle Folgen des sogenannten „Deals“ belehrt. Dazu gehört auch den Betroffenen darüber aufzuklären, dass die „ausgehandelte“ Strafhöhe für das Gericht nicht zwingend bindend ist. Denn nach § 257c Abs. 4 der Strafprozessordnung (StPO) entfällt die Bindung des Gerichts an eine Verständigung, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Im Grunde genommen kann sich das Gericht damit von der Verständigung lösen, wenn es etwa einen wichtigen strafschärfenden Aspekt in den Akten übersehen hat.
Belehrt das Gericht den Betroffenen nicht schon bei Unterbreitung des konkreten Verständigungsvorschlags über die nur eingeschränkte Bindungswirkung, so führt dieser Rechtsfehler in der Regel zur Aufhebung des Urteils. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Beschluss vom 24. Januar 2017 – 5 StR 15/17 und hob das Urteil des Landgerichts Dresden auf.
Anwalt für Strafrecht: Verstoß gegen das BtMG
In seinem Beschluss vom 7. März 2017 – 3 StR 427/16 hat der Bundesgerichtshof (BGH) Ausführungen zur Bewertung von Betäubungsmittelstraftaten gemacht. Dabei hat er betont, dass der gleichzeitige Besitz verschiedener zum Eigenkonsum bestimmter Betäubungsmittel nicht mehrere Verstöße, sondern nur einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) darstellt. Dies gelte auch dann, wenn verschiedene Drogenmengen an unterschiedlichen Orten aufbewahrt werden. Außerdem stellte der BGH fest, dass der Erwerb der Betäubungsmittel in deren Besitz aufgeht sodass es insgesamt zu einer geringeren Strafe kommen muss.
Das Landgericht Duisburg hatte hingegen in dem Besitz des Angeklagten von Amphetamin, Kokain und Haschisch jeweils eigene Verstöße gegen das BtMG angenommen und den Angeklagten darüber hinaus wegen des Erwerbs dieser Betäubungsmittel verurteilt.
Anwalt für Strafrecht: "Gemischte" Bande bestehend aus Dieben und Hehlern / Strafbarkeit wegen Bandenhehlerei
Eine Bande ist der Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich auf gewisse Dauer mit dem Willen verbunden haben, in Zukunft mehrere selbstständige, im Einzelnen möglicherweise noch ungewisse Straftaten zu begehen.
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 04.08.2015 (Aktenzeichen: 5 StR 295/15) mit der Frage befasst, ob ein Bandendiebstahl gem. §§ 244 Absatz 1 Nr. 2, 244a Absatz 1 StGB angenommen werden kann, wenn jemand einen Diebstahl allein begeht, die Verwertung der Beute jedoch gemeinschaftlich mit weiteren Personen erfolgt. Das erstinstanzliche Gericht hatte den Angeklagten, welcher absprachegemäß die Diebstähle allein beging und die dabei erbeuteten EC- und Kreditkarten sodann mit weiteren Personen gemeinschaftlich bei späteren Einkäufen betrügerisch eingesetzt hatte, unter anderem wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt.
Nach dem Gesetzeswortlaut kann eine "gemischte" Bande, welche aus Hehler und Dieben besteht nur bei den Hehlereitatbeständen (§§ 260 Absatz 1 Nr. 2, 260a Absatz 1 StGB) vorliegen. Daher hat der BGH entschieden, dass eine Diebesbande (§§ 244 Absatz 1 Nr. 2, 244a Absatz 1 StGB) lediglich dann zu bejahen ist, wenn die Betreffenden nach der Bandenabrede auch zugleich an den Diebstahlstaten, und sei es auch nur als Gehilfen, teilgenommen haben.
Deshalb kann eine Verurteilung wegen Bandendiebstahls nicht erfolgen. Vielmehr lag eine Bandenhehlerei vor.
Anwalt für Strafrecht: Terminverlegung zur Vermeidung einer notwendigen Verteidigerbestellung / Pflichtverteidiger
Das Kammergericht Berlin hat sich mit Beschluss vom 09.12.2016 (4 Ws 191/16 - 161 AR 174/16) mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen eine Terminierung zur Hauptverhandlung durch ein Instanzgericht eigenständig mit der Beschwerde angegriffen werden kann.
Der Angeklagte befand sich in anderer Sache in Haft. Der Vorsitzende hatte den Hauptverhandlungstermin auf einen Zeitpunkt nach Entlassung des Angeklagten verlegt. Hintergrund der Verlegung war, dass anderenfalls das Gericht dem Angeklagten einen ''Pflichtverteidiger'' hätte bestellen müssen. Nach § 140 Absatz 1 Nr. 5 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn sich der Beschuldigte mindestens drei Monate in Haft befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird.
Zunächst ist festzuhalten, dass eine Terminverfügung eigeständig anfechtbar ist, wenn hierdurch eine selbständige Beschwer für Prozessbeteiligte bewirkt wird. Hierbei sind die Interessen sämtlicher Prozessbeteiligten zu beachten. Im konkreten Fall spielte insbesondere der Beschleunigungsgrundsatz gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK eine wesentliche Rolle. Dieser besagt, dass das Verfahren aufgrund des erheblichen Eingriffs in die Grundrechte des Beschuldigten so zügig wie möglich durchgeführt werden soll. Die Entscheidung des Vorsitzenden ist somit ermessensfehlerhaft, da die Verteidigerbestellung kein sachliches Kriterium ist, das Verfahren zu verzögern. Das Kammergericht Berlin hat deshalb die Rechtswidrigkeit festgestellt. Einen neuen Hauptverhandlungstermin konnte das Kammergericht nicht festsetzen, da dies dem Vorsitzenden aufgrund der ihm zustehenden "Terminhoheit" zu steht. Ob dem Angeklagten dann noch ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, hängt davon ab, ob er sich weiterhin in Haft befindet.
Weitere Informationen zum Pflichtverteidiger und zur notwendigen Verteidigung finden Sie unter:
www.pflichtverteidiger-strafrecht.berlin
Anwalt für Strafrecht: Auslieferung zur Strafvollstreckung an die Türkei / Verbindliche Zusicherung zu den Haftbedingungen / Auslieferungshaft
Die seit einem Jahr andauernden politischen und justiziellen Entwicklungen in der Türkei und deren Auswirkungen insbesondere auf die Haftbedingungen in der Türkei stehen aus völkerrechtlichen Gründen der Auslieferung zur Strafvollstreckung entgegen. Aus diesem Grund machen die deutschen Gerichte die Zulässigkeit einer Auslieferung davon abhängig, dass die Türkei eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung zu den den Verfolgten konkret erwartenden Haftbedingungen und zur Überprüfbarkeit durch deutsche Behördenvertreter mit folgenden Inhalten abgibt:
Angabe der - in einer Entfernung von maximal 250 Kilometern zur Deutschen Botschaft oder zu einem Deutschen (General-)Konsulat befindlichen - Haftanstalt (genaue namentliche Bezeichnung der Haftanstalt), in die der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung aufgenommen und in der er während der Dauer des Freiheitsentzugs inhaftiert sein wird;
Zusicherung, dass die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen in dieser Haftanstalt den europäischen Mindeststandards entsprechen und den Häftlingen dort keine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne von Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten droht;
Beschreibung der Haftbedingungen in der namentlich benannten Haftanstalt, insbesondere im Hinblick auf: Zahl der Haftplätze, Gesamtzahl der Gefangenen, Anzahl, Größe und Ausstattung der Hafträume (insbesondere auch Angaben zu Fenstern, Frischluftzufuhr und Heizung), Belegung der Hafträume, Ausstattung der Haftanstalt mit sanitären Einrichtungen, Verpflegungsbedingungen, Art und Bedingungen des Zugangs der Häftlinge zu medizinischer Versorgung;
Zusicherung, dass Besuche durch diplomatische oder konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland beim Verfolgten während der Dauer seiner Inhaftierung - auch unangekündigt - möglich sind.
Zuletzt hat das Kammergericht Berlin dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin auf Anordnung einer Auslieferungshaft (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG) nicht entsprochen, weil die Türkei lediglich unzureichende allgemein gehaltene Erklärungen zu Haftbedingungen abgegeben hatte (Beschluss vom 17.01.2017 Aktenzeichen: (4) 151 AuslA 11/16 (10/17)). Diese Entscheidung erfolgte in Übereinstimmung mit der Auffassung des OLG München (Beschluss vom 16.08.2016 Aktenzeichen: 1 AR 252/16). Das OLG München hatte in vielen vergleichbaren Fällen die Zulässigkeit einer Auslieferung aufgrund der durch die türkischen Behörden erfolgten pauschalen Zusicherungen verneint. Des Weiteren sind die deutschen Gerichte der Auffassung, dass allein die Höhe der zu vollstreckenden Strafe den Haftgrund für eine Auslieferungshaft nicht begründen kann. Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin beruht auf § 73 Satz 1 IRG (Grenze der Rechtshilfe) i.V.m. Art. 3 EMRK (Verbot der Folter).
Anwalt für Strafrecht: Fortdauer der Untersuchungshaft / Kein rechtskräftiges Urteil / Vollstreckungssicherung als Nebenzweck der Untersuchungshaft
Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 29.08.2016 (Aktenzeichen: 4 Ws 124/16) den Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Berlin und den Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten aufgehoben. Dem Beschluss liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Berlin vom 10.02.2016 befand sich der Angeklagte bis zu seiner Verurteilung durch das Landgericht Berlin am 15.07.2016 zu einer Haftstrafe in der Untersuchungshaft. Das Landgericht Berlin hat im Übrigen die Fortdauer der Untersuchungshaft mit der Begründung, dass aufgrund der zu erwartenden Strafe ein Fluchtanreiz bestehe, angeordnet. Gegen das Urteil des Landgerichts Berlin hat der Angeklagte Revision eingelegt hat, sodass es noch nicht rechtskräftig ist. Gegen die Haftfortdauerentscheidung hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde hatte Erfolg. Es ist zunächst zulässig, zwischen Urteil und Rechtskraft die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen. Allerdings sind hierfür wegen des freiheitsverletzenden Eingriffs strenge Anforderungen vorgesehen. Zunächst einmal muss ein Haftgrund im Sinne des § 112 StPO vorliegen. Im konkreten Fall hat das Landgericht Berlin die Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) als Haftgrund genannt. Allerdings ist bei der Anordnung als auch bei der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft immer das Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Dies bedeutet dass eine Abwägung zwischen diesen beiden Interessen stattfinden muss. Denn die Vollstreckungssicherung ist nur ein Nebenzweck der Untersuchungshaft. Im konkreten Fall waren außer der Straferwartung keine weiteren für eine Flucht sprechenden Umstände ersichtlich. Die Straferwartung allein kann die Fluchtgefahr nicht begründen. Weiterhin ist bei einer noch zu verbüßenden Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ein ausreichender Fluchtanreiz nicht gegeben.
Weitere Informationen im Falle einer Verhaftung oder Festnahme finden Sie unter:
Anwalt für Strafrecht: gefährliche Körperverletzung
Wegen gefährlicher Körperverletzung wird unter anderem derjenige bestraft, der die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs begeht. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter einem solchen Werkzeug jeder Gegenstand zu verstehen, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Verwendung dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Seit einiger Zeit gilt auch der beschuhte Fuß als gefährliches Werkzeug, wenn es sich bei dem Schuh um einen derben Schuh handelt. Als Paradebeispiel gilt der Springerstiefel.
In seiner Entscheidung vom 26.10.2016 - 2 StR 253/16 hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese Grundsätze noch einmal bekräftigt und die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung durch das Landgericht Frankfurt aufgehoben. Der Angeklagte hatte einer anderen Person nach einem Streit zweimal hintereinander wuchtig von oben mit seinem mit einem Turnschuh beschuhten Fuß senkrecht auf den Kopf getreten, als diese bereits bewusstlos auf dem Asphalt lag. Nach Ansicht des BGH liegt hier jedoch keine gefährliche Körperverletzung vor, da der Angriff äußerlich folgenlos blieb und keine erhebliche Verletzung festgestellt werden konnte. Außerdem betonte der BGH, dass etwaige Verletzungsfolgen auch konkret durch den Schuh und nicht nur durch die Tritte an sich verursacht werden müssen, damit der erhöhte Strafrahmen des § 224 StGB greift.
Anwalt für Strafrecht: Notwendige Verteidigung / Pflichtverteidiger / Polizeibeamte als Belastungszeugen
Das Landgericht Bielefeld hat mit Beschluss vom 15.06.2016 (Aktenzeichen: 8 Qs 246/16 VIII) den bisherigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger bestellt. Dem Beschluss liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Mit einem Strafbefehl (Straffestsetzung nach Aktenlage ohne Hauptverhandlung) setzte das Amtsgericht Minden gegen den Angeklagten eine Geldstrafe wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung fest. Hiergegen hat der Angeklagte Einspruch eingelegt und die Beiordnung seines bisherigen Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger beantragt. Seinen Antrag begründete der Angeklagte insbesondere damit, dass als einzig zulässiges Beweismittel die Aussagen der Polizeibeamten vorhanden seien und dies somit die Beweislage schwierig mache. Den Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger wurde durch das Amtsgericht Minden abgelehnt. Hiergegen hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt. Das Landgericht Bielefeld bestätigte die Ausführungen des Angeklagten und bestellte den bisherigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger. Seine Entscheidung begründet das Landgericht Bielefeld damit, dass im konkreten Fall die Notwendigkeit der Verteidigung im Sinne des § 140 Absatz 2 Satz 1 StPO aus der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage folge. Denn nach dieser Vorschrift erhält der Angeklagte einen Pflichtverteidiger, wenn die Sach- und Rechtslage schwierig ist. Im konkreten Fall ist die Sachlage aus dem Grund schwierig, da sämtliche Zeugen Polizeibeamte sind, das Ergebnis der Hauptverhandlung allein davon abhängt, ob das Gericht den Aussagen der Zeugen folgt und die Darlegung von eventuellen Widersprüchen in den Angaben der Zeugen nur durch Kenntnis des gesamten Akteninhalts erfolgen kann. Die Schwierigkeit der Rechtslage beruhte darauf, dass zweifelhaft war, ob ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte überhaupt vorliegen konnte. Denn der Angeklagte war von der Vollstreckungshandlung gar nicht betroffen, sodass eine Subsumtion unter den Tatbestand des § 113 Absatz 1 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) noch konkret zu beurteilen war.
Anwalt für Strafrecht: Verbotene Vernehmungsmethoden
In seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2016 - 2 StR 84/16 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut betont, dass bewusste Täuschungen über die Beweis- und Verfahrenslage als Täuschung im Sinne des § 136a StPO gelten. Nach diesem sind Angaben des Beschuldigten, die durch die Täuschung erlangt wurden, nicht verwertbar.
Die verbotene Täuschung ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH abzugrenzen von erlaubter kriminalistischer List, bei der zumindest Fangfragen gestellt oder doppeldeutige Erklärungen abgegeben werden dürfen. Die Grenze ist jedoch überschritten, wenn Vernehmungsbeamte bewusst falsche Angaben über Rechtsfragen machen oder gar Tatsachen vorspiegeln, die tatsächlich nicht existieren. Lügen sind demnach nicht mehr von kriminalistischer List erfasst.
In dem vom BGH zu verhandelnden Fall lag ein solcher Fall der Täuschung über die Beweislage vor. Dem Beschuldigten wurde ein Mord vorgeworfen. In seiner ersten Vernehmung wies der Vernehmungsbeamte ihn mehrmals darauf hin, dass er ihn zwar nicht für einen "Mörder" halte, die Tat aber angesichts der gravierenden Verletzungsfolgen und des Nachtatverhaltens wie ein "richtiger, klassischer Mord" erscheine, wenn der Beschuldigte dies nicht richtigstelle und sich zur Sache einlasse. Daraufhin räumte der Beschuldigte den äußeren Tatablauf weitgehend ein, obwohl tatsächlich noch kein dringender Tatverdacht wegen Mordes gegen ihn bestand.
Anwalt für Strafrecht: Fahrerflucht / Trunkenheitsfahrt / Gefährdung des Straßenverkehrs
Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 30.08.2016 (Aktenzeichen:(3) 161 Ss 146/16 (82/16)) das Verfahren gegen den Angeklagten wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort aufgrund eines Verfahrenshindernisses, dem Verbot der Doppelbestrafung, eingestellt. Dem Beschluss liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Der Angeklagte wurde zunächst durch das Amtsgericht Tiergarten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, unerlaubten Entfernens vom Unfallort und Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Der Angeklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Im Berufungsverfahren wurde das Verfahren in Bezug auf die Gefährdung des Straßenverkehrs und wegen der Trunkenheitsfahrt gem. § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Der Angeklagte wurde allerdings wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt. Gegen das Urteil des Landgerichts Berlin legte der Angeklagte Revision ein und erhob eine Verfahrensrüge, welche er mit dem Doppelbestrafungsverbot begründete. Das Doppelbestrafungsverbot verbietet es, dass jemand wegen derselben Tat zweimal bestraft wird. Das Kammergericht in Berlin bestätigte die Ausführungen des Angeklagten und führte diesbezüglich aus, dass durch die Erfüllung der Zahlungsauflage ein Strafklageverbrauch in Bezug auf die gesamte prozessuale Tat gem. § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO eingetreten ist.
Strafklageverbrauch bedeutet, dass die Verfolgung des Täters wegen derselben Tat ausgeschlossen ist. Problematisch war in diesem Fall der Tatbegriff. Denn im Strafrecht existieren unterschiedliche Tatbegriffe, welche wegen ihrer praktischen Auswirkungen auseinandergehalten werden müssen. Im prozessualen Sinne ist die "Tat" immer ein vollständiger Lebenssachverhalt. Hingegen ist die "Tat" im materiell-rechtlichen Sinne als "Handlung" zu verstehen, welche einen abtrennbaren Teil aus einem Lebenssachverhalt darstellt. Im Fall des Angeklagten hatte der Alkohol- und Drogenkonsum sowohl Einfluss auf das Unfall- als auch auf das nachfolgende Tatgeschehen (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort), sodass eine prozessuale Tat vorliegt. Da die Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO die gesamte prozessuale Tat erfasst, ist zugleich für die begangene Straftat des unerlaubten Entfernens vom Unfallort Strafklageverbrauch eingetreten, welcher ein Verfahrenshindernis darstellt. Somit war eine Verurteilung des Angeklagten wegen derselben "Tat" unmöglich.
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