Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Verkehrsstrafrecht

Raubt der Täter sein Opfer beim Halt des Kraftfahrzeuges in einem Wohngebiet aus, so handelt es sich nicht um eine Ausnutzung von spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs, die zu einer Strafbarkeit wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer nach § 316 a StGB führt

§ 316 a StGB (''räuberischer Angriff auf Kraftfahrer'') lautet: Wer zur Begehung eines Raubes (?) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlussfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

In dem Beschluss vom 22. August 2012 - 4 StR 244/12 entschied der BGH, dass ein ''räuberischer Angriff auf Kraftfahrer'' nicht vorliegt, wenn der Täter das Kraftfahrzeug in ein Wohngebiet fährt und sein mitfahrendes Oper dort bei einem Halt des Kraftfahrzeuges ausraubt.

Die beiden Angeklagten hatten den Geschädigten schon im Pkw durch Faustschläge misshandelt und ihm, bevor sie ihn endgültig auf einem Parkplatz hatten liegen lassen, beim Halt in einem Wohngebiet seine Wertgegenstände abgenommen. Aufgrund dieser Feststellungen wurden sie vom Landgericht Leipzig wegen ''räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer'' in Tateinheit mit Raub, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung verurteilt.

Dieses Urteil hielt der rechtlichen Überprüfung des BGH nicht stand.

Neben dem Führer eines Kraftfahrzeugs kann zwar grundsätzlich auch der Mitfahrer ein taugliches Opfer im Sinne des § 316 a StGB sein. Allerdings kann aufgrund der Feststellungen des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die Angeklagten bei Begehung der Tat die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt haben, da das Fahrzeug sich zum Zeitpunkt des Raubes nicht im fließenden Verkehr befunden hat. Auch ein verkehrsbedingter Halt mit laufendem Motor, bei der das Opfer regelmäßig keine Möglichkeit hat, sich dem Angriff ohne Eigen- oder Fremdgefährdung (beispielsweise durch Ziehen der Handbremse oder Öffnen der Tür) zu entziehen, liegt nicht vor. Für die Fälle des nicht verkehrsbedingten Halts bedarf es nach Ansicht des BGH zusätzliche, im Urteil darzulegende Umstände, die die Annahme einer Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs rechtfertigen.

Anwalt für Strafrecht: Vergewaltigung

Der Qualifikationstatbestand der besonders schweren Vergewaltigung ist nicht erfüllt, wenn sich der Täter erst nach Abschluss der Gewalthandlung dazu entschließt, den Geschlechtsverkehr mit seinem Opfer durchzuführen

Zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten kam es zu einem Streit, bei dem die Geschädigte dem Angeklagten ein Glas Wodka ins Gesicht schüttete. Daraufhin wurde der Angeklagte so wütend, dass er auf die Geschädigte einschlug und ihr mit einem Küchenmesser drohte, sie zu erstechen. Er warf das Messer in die Spüle, schubste die Geschädigte ins Schlafzimmer und führte den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr aus. Ihm war dabei bewusst, dass sich die Geschädigte aufgrund der vorher erlittenen Verletzungen nicht zur Wehr setzen konnte.

Anhand dieser Feststellungen hatte das Landgericht ''Bielefeld'' den Angeklagten wegen ''besonders schwerer Vergewaltigung'' gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2a StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in Sicherheitsverwahrung angeordnet.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hob dieses Urteil mit dem Beschluss vom 29.8.2012 - 4 StR 277/12 auf. Ohne Zweifel hat eine körperliche Misshandlung der Geschädigten stattgefunden. Das Landgericht hat jedoch nach Ansicht des BGH nicht hinreichend erkennen lassen, dass die Misshandlung bei Durchführung des Geschlechtsverkehrs stattgefunden hat.

Als der Angeklagte auf die Geschädigte einschlug, passierte dies zunächst aus Wut und nicht mit der gegenwärtigen Absicht, sie zu ''vergewaltigen''. Da der Entschluss zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs erst nach Abschluss der Gewalthandlung entstanden ist, ist die Anwendung des Qualifikationstatbestandes ausgeschlossen.
Die mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter 5 Jahren belegte Qualifikation ist lediglich dann anwendbar, wenn das Opfer während der Vergewaltigung körperlich misshandelt wird.

Anwalt für Strafrecht: Raub

Die gewaltsame Wegnahme eines Mobiltelefons zwecks Durchsuchens und Kopierens von Bilddateien begründet nicht die Strafbarkeit wegen Raubes nach § 249 Abs. 1 StGB

Die für den ''Raub'' nach § 249 Abs. 1 StGB erforderlichen Zueignungsabsicht fehlt, wenn der Täter bei gewaltsamer Ansichnahme eines Mobiltelefons lediglich beabsichtigt, den Speicher zu durchsuchen und die dabei aufgefunden Bilddateien zu kopieren. Durch dieses Verhalten eignet er sich weder den Sach- oder Substanzwert des Mobiltelefons an, noch wird dessen Wert durch den vorübergehenden Gebrauch gemindert.

Das Kopieren der aufgefundenen Bilddateien stellt zwar einen bestimmungsgemäßen Gebrauch der Sache dar, führt aber nicht zu einer Strafbarkeit wegen ''Raubes'', da die Bilddateien durch das Kopieren nicht verbraucht werden.

Auch der Einsatz von Gewalt, um die Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung zu erreichen oder den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern, begründet keine Strafbarkeit nach § 249 StGB. Dem Täter fehlt es hierbei an dem für die Aneignung erforderlichen Willen, den Bestand seines Vermögens oder den eines Dritten zu ändern.

Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in dem Verfahren 3 StR 392/11 und hob damit die vom Landgericht Duisburg ausgesprochene Verurteilung des Angeklagten wegen ''Raubes'' und ''gefährlicher Körperverletzung'' zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten auf. Das Verhalten des Angeklagten erfüllt nach Ansicht des BGH lediglich den Tatbestand der ''Nötigung'' nach § 240 Abs. 1 StGB.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Ein gezielter Messerstich in den Brustkorb des Opfers begründet nicht zwingend die Annahme eines direkten Tötungsvorsatz beim Täter, so dass auch lediglich eine Bestrafung wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht kommt

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte am 16.8.2012 in dem Verfahren 3 StR 237/12 ein Urteil des Landgerichts Osnabrück, in dem der Angeklagte wegen ''Körperverletzung mit Todesfolge'' zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde.

Der Angeklagte hatte sein Opfer in alkoholisiertem Zustand nach einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Klappmesser gezielt in die linke Brusthälfte gestochen. Das Opfer verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus an seinen Verletzungen.

Die Nebenklägerin legte gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück Revision vor dem BGH ein, da das Landgericht bei dem Angeklagten keinen Tötungsvorsatz festgestellt und ihn deswegen nicht wegen ''Totschlags'' verurteilt hatte.

Allerdings konnte sich auch der BGH nur von einem direkten ''Körperverletzungsvorsatz'' überzeugen. Er führte aus, dass der Täter, um einen ''Tötungsvorsatz'' annehmen zu können, den Tod des Opfers als nicht ganz fern liegend erkennen und diesen Erfolg billigen oder sich zumindest um des erstrebten Zieles willen damit abfinden muss.

Zwar war der gezielte Messerstich in den Brustkorb des Opfers eine hochgradig gefährliche Gewaltanwendung, die als Indiz für die Billigung des Todes gegen den Angeklagten gewertet wurde.

Zugunsten des Angeklagten wurde allerdings der unter enthemmender Wirkung von Alkohol spontan ausgeführte Messerstich, das fehlende Tötungsmotiv und die im Allgemeinen nicht zu Aggressionen neigende Persönlichkeit des Angeklagten berücksichtigt. Aufgrund der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung kam damit auch der BGH zu dem Entschluss, dass der Angeklagte sich zwar der Gefahr des Todeseintritts bewusst war, er diesen aber zu keinem Zeitpunkt innerlich als Resultat seiner Tat gebilligt hat.

Anwalt für Strafrecht: Brandstiftung

Eine durch Brandlegung bewirkte Verrußung einer Teeküche stellt keine teilweise Zerstörung eines Gebäudes dar und begründet somit nicht die Strafbarkeit wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 StGB

Der vor dem Landgericht München Angeklagte wollte im Verwaltungsgebäude des geschädigten Unternehmens einen ''Brand legen'', indem er in der Teeküche des Gebäudes eine Kaffeemaschine auf eine Herdplatte stellte und diese dann auf maximale Leistung schaltete.

Der geplante Brand sollte damit wie die Folge einer Nachlässigkeit aussehen. Tatsächlich geriet nur die Kaffeemaschine in Brand und es kam zu einer Verrußung der Küche, die dadurch unbenutzbar wurde. Außerdem entstanden Putzabplatzungen an der Decke und es lösten sich zwei Wandfließen.

Das ''Landgericht München'' hatte den Angeklagten wegen ''vorsätzlicher Brandstiftung'' zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. In der Revision wurde dieses Urteil vom Bundesgerichtshof (BGH) in dem Verfahren 4 StR 344/11 aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen.

Der BGH machte deutlich, dass die teilweise Zerstörung eines zu gewerblichen Zwecken genutzten Gebäudes wegen der hohen Strafandrohung des § 306 StGB eine Zerstörung von Gewicht erfordert. Das Gebäude muss für eine nicht unbeträchtliche Zeit wenigstens für einzelne seiner Zweckbestimmungen oder ein für die ganze Sache zwecknötiger Teil muss unbrauchbar gemacht werden. Nach Ansicht des BGH liegt dies bei einer Teeküche aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung für den Widmungszweck des Verwaltungsgebäudes eher fern. Sie kann auch nicht als zwecknötiger Teil des Gebäudes angesehen werden. Das für die ''Brandstiftung'' nach § 306 Abs. 1 StGB erforderliche Gewicht ist demnach nicht erreicht.

Anwalt für Strafrecht: Bedrohung

Eine im Zustand momentaner Erregung ausgesprochene Drohung wie "Ich schlag` Dich tot!" genügt nicht unbedingt für die Verwirklichung des Bedrohungstatbestandes des § 241 Abs. 1 StGB

Der ''Bedrohung'' gemäß § 241 StGB macht sich strafbar, wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht.

Es ist nicht erforderlich, dass das Opfer die Bedrohung tatsächlich ernst nimmt und der Täter die Drohung verwirklichen will oder kann. Ausgenommen sind allerdings alle Ankündigungen, die nicht als objektiv ernstzunehmende ''Bedrohung'' mit einem Verbrechen angesehen werden können, selbst wenn der Bedrohte sich von den Ankündigungen beeindrucken lässt.

Eine solche nicht ernstzunehmende ''Bedrohung'' nahm das Amtsgericht ''Rudolstadt'' in dem Verfahren 355 Js 15271/12 - 1 Ds jug an und lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluss vom 9.7.2012 mangels Erfüllung eines Straftatbestands ab.

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen den in einer therapeutischen Förderanstalt untergebrachten Angeschuldigten Anklage erhoben, weil er seiner Erzieherin, nach einem missverständlichen Telefonat mit seiner Mutter, den Telefonhörer vor die Füße warf und wutentbrannt behauptete, die Erzieherin habe seiner Mutter "Scheiße erzählt". Dabei fuchtelte er mit der Faust vor ihrem Gesicht herum und schrie: "Ich schlag` Dich tot!".

Das Amtsgericht machte deutlich, dass es sich bei der Äußerung des Angeschuldigten nur um eine "jugendliche Groß- und Wichtigtuerei" handelt, die dem "jugendlichen Übermut und somit den Antriebskräften der Entwicklung" entsprungen ist. Kriminelles Unrecht mit tatbestandlicher Relevanz sei ihr jedoch, unter Berücksichtigung des Umfeldes und der Eigenart der beteiligten Personen, nicht zuzusprechen.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht

Selbstgespräche unterliegen im Strafverfahren einem Verwertungsverbot und können somit trotz Überwachung nicht verwendet werden

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 22.12.2011 - 2 StR 509/10 das mittels akustischer Überwachung aufgezeichnete Selbstgespräch eines Beschuldigten für unverwertbar erklärt.
Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, seine Ehefrau im Zusammenwirken mit weiteren Mittätern ermordet zu haben. Aufgrund einer ordnungsgemäßen richterlichen Anordnung gemäß § 100f StPO wurde eine elektronische Überwachung im Auto des Beschuldigten durchgeführt. Der Beschuldigte äußerte in den aufgezeichneten Selbstgesprächen unter anderem: "oho I kill her? oh yes, oh yes? and this is my problem?", sowie "nö, wir haben sie tot gemacht?".
Der Bundesgerichtshof entschied, dass diese Aussagen dem selbstständigen ''Beweisverwertungsverbot'' von Verfassungs wegen unterliegen, da die Abhörmaßnahme den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung (Art.2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt hat.
Der Grund für den Schutz eines solchen Kernbereichs ist, dass sich jeder Mensch in einem Rückzugsraum mit dem eigenen Ich befassen können soll, ohne Angst vor staatlicher Überwachung haben zu müssen. Auch ein Alleinsein mit sich selbst in einem Pkw begründet diesen Schutz, da hier das Risiko einer Außenwirkung der spontanen Äußerungen nahezu ausgeschlossen ist. Die Nichtöffentlichkeit der Gesprächssituation und die mögliche Unbewusstheit über die Äußerungen im Selbstgespräch mussten deshalb zu einem Verwertungsverbot der erlangten Informationen führen.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Eine religiös motivierte Beschneidung kann als Körperverletzung gem. § 223 StGB gewertet werden, ohne dass Eltern in die Körperverletzung einwilligen können

Das Landgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 7.5.2012 - 151 Ns 169/11 die religiös motivierte Beschneidung eines nicht einwilligungsfähigen männlichen Kleinkindes als tatbestandsmäßige ''Körperverletzung gemäß § 223 StGB'' gewertet.

Das Landgericht Köln sah den Tatbestand der ''Körperverletzung'' durch die Operation als erfüllt an. Die Einwilligung der Eltern zur Beschneidung ihres 4-jährigen Sohnes wurde nicht als sozialadäquat und damit tatbestandsausschließend anerkannt. Auch eine rechtfertigende Einwilligung der Eltern sah das Gericht nicht als gegeben an. Dies begründete es damit, dass vom Sorgerecht der Eltern im Sinne des § 1627 BGB nur solche Erziehungsmaßnahmen gedeckt sind, die dem Wohl des Kindes dienen. Die Beschneidung eines Jungen hingegen entspricht nach dem Landgericht Köln "''weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung des innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfelds noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohl des Kindes''". Die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 4 I, 6 II GG werden durch das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Art. 2 I und II 1 GG begrenzt. Selbst wenn man die Beschneidung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für erforderlich hält, ist sie nach Auffassung des Gerichts jedenfalls unangemessen. Der Körper des Kindes würde dauerhaft verändert und laufe dem Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können, zuwider.
Der Angeklagte Arzt, der die Beschneidung durchgeführt hatte, wurde vom Landgericht Köln dennoch freigesprochen. Aufgrund der unklaren Rechtslage zur Beschneidung musste das Gericht einen Verbotsirrtum annehmen, da selbst der Versuch des Angeklagten, sich über die Rechtslage zu informieren, zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hätte.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Das Bespritzen mit Sperma kann eine Körperverletzung darstellen, die bei einer Vorstrafe wegen exhibitionistischer Handlungen bereits zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten führen kann

Das Amtsgericht Lübeck hat in seiner Entscheidung vom 08.06.2011 - 746 Js 13196/11 festgestellt, dass sich jemand wegen vorsätzlicher ''Körperverletzung'' nach § 223 StGB strafbar macht, wenn er sein Opfer mit zuvor abgefülltem Sperma bespritzt und damit ihm zurechenbare psychische oder physische Beeinträchtigungen beim Geschädigten verursacht. Die Beeinträchtigungen müssen allerdings über die Erregung ein bloßes Ekelgefühls hinausgehen, um den Tatbestand des § 223 StGB zu erfüllen.

Der Angeklagte hatte eine Frau, die mit ihrer 7-jährigen Tochter in der Warteschlange eines Supermarkts vor ihm stand, mit zuvor abgefülltem Sperma im Bereich des Gesäßes bespritzt. Die Geschädigte bemerkte die feuchte Stelle im Rückenbereich und erkannte durch den Geruch, dass es sich bei der auf ihrer Kleidung befindlichen Flüssigkeit um Sperma handelte.
Als Folge der Tat litt sie unter erheblichen psychischen Belastungen und massiven Schlafstörungen. Dies war auch darauf zurückzuführen, dass sie im Alter von 15 Jahren Opfer einer Vergewaltigung geworden ist. Außerdem leidet die Geschädigte an der Krankheit Multiple Sklerose, die zusammen mit dem Stress der Tat wiederholte und massive Krampfanfälle ausgelöst hat.

Das Amtsgericht Lübeck ist der Auffassung, dass solche psychischen Vorbeeinträchtigungen des Opfers und die dadurch wieder ausgelösten somatischen Folgen nicht ungewöhnlich und somit für den Täter vorhersehbar sind. Er kann schlichtweg nicht darauf vertrauen, nicht auf ein vorgeschädigtes Opfer zu treffen. Da der Angeklagte zudem einschlägig wegen ''exhibitionistischen Handlungen'' vorbestraft war, wurde er wegen ''vorsätzlicher Körperverletzung'' zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsstrafrecht / Drogen

Keine Grenzwerte bei Kokainkonsum, bei deren Überschreitung die absolute Fahruntüchtigkeit begründet werden kann

Strafbar nach § 316 StGB macht sich, wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses von alkoholischer Getränke oder anderen berauschenden Mitteln nicht in der Lage dazu ist (Trunkenheitsfahrt).

In seiner Entscheidung im Verfahren (524) 11 Ju Js 1853/10 (36/11), 524 - 36/11 stellte das Landgericht ''Berlin'' fest, dass die Überschreitung der festgelegten Grenzwerte von 10 ng/ml ''Kokain'', im Gegensatz zu dem bei ''Alkoholkonsum'' festgelegten Grenzwert von 1,1 ?, nicht zur Annahme einer absoluten ''Fahruntüchtigkeit'' gem. § 316 StGB führt. Die beschriebene Mindestmenge stellt lediglich ein sicheres Indiz für Kokainkonsum dar.

Zwar erkennt das Landgericht Berlin einen Widerspruch darin, dass der Erwerb von ''Drogen'' strafrechtlich sanktioniert wird, während es ungestraft bleibt sich unter Drogeneinfluss ans Steuer zu setzen. Es führt jedoch aus, dass dieser Widerspruch nicht durch die Aufstellung irgendwelcher Grenzwerte von Gerichten selbst, sondern nur vom Gesetzgeber gelöst werden kann.

So konnte die Angeklagte, bei der trotz 14 ng/ml ''Kokain'' keinerlei Auffälligkeiten in ihrem Fahrverhalten festgestellt werden konnten, lediglich zu einer Geldstrafe von 500,-? wegen einer fahrlässigen ''Verkehrsordnungswidrigkeit'' verurteilt werden.