Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Ausländerstrafrecht

Eine täterschaftliche Beihilfeleistung im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zur unerlaubten Einreise eines Ausländers liegt bei jeder Handlung vor, die den unerlaubten Grenzübertritt in irgendeiner Weise objektiv fördert.

In seinem Beschluss 4 StR 144/12 vom 6.6.2012 bestätigte der BGH die durch das Landgericht Detmold erfolgte Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten ''Einschleusens von Ausländern'' gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG in sieben Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.
Der Angeklagte hatte einem Syrer gegen Zahlung eines Zuschusses Informationen beschafft und dadurch dessen unerlaubte Einreise nach Deutschland erleichtert. Einem anderen Syrer lies er, ebenfalls gegen eine Geldzahlung, einen gefälschten Einreisestempel im Pass anbringen. In den übrigen Fällen hatte der Angeklagte unmittelbare Unterstützungen zur unerlaubten Einreise vorgenommen, indem er Transportfahrer organisiert, Routen festgelegt und gefälschte Einreisepapiere besorgt hatte.
Da der Angeklagte für die Unterstützungshandlungen einen geldwerten Vorteil erhalten und auch wiederholt zugunsten mehrerer Ausländer gehandelt hat, ist nicht nur Beihilfe gegeben, sondern der Tatbestand des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG einschlägig. Hierzu führte der BGH aus, dass ein Hilfeleisten im Sinne dieser Vorschrift jede Handlung darstellt, die den unerlaubten Grenzübertritt in irgendeiner Weise fördert. Dass die Hilfeleistungen immer unmittelbar zum Grenzübertritt geleistet werden, sei nicht erforderlich. Vielmehr sei auch eine Unterstützung im Vorfeld der Einreise durch das Beschaffen und Weiterleiten von Informationen, Organisation von Reisemöglichkeiten und Beschaffung von gefälschten Reisedokumenten ausreichend, solange sie den Grenzübertritt ermöglicht oder erleichtert.
Für den Fall, dass die unerlaubte Einreise nur versucht wurde, kommt für den Unterstützer eine Strafbarkeit wegen versuchten Hilfeleistens nach § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AufenthG in Betracht, für deren Bewertung der BGH die allgemeinen Versuchsregeln heranzieht. Danach beginnt die Strafbarkeit, wenn der Täter eine Handlung vornimmt, mit der er nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Förderung der unerlaubten Einreise ansetzt. Ob die unerlaubte Einreise dabei tatsächlich selbst in das Versuchsstadium eingetreten ist, soll keine Rolle spielen.

Anwalt für Strafrecht: Betrug

Solange der Täter mittels Phishing widerrechtlich erlangte Konto- Identifikations- und Transaktionsnummern nicht verwendet, indem er sie beispielsweise in den Computer eingibt, um eine nicht autorisierte Überweisung zu tätigen, macht er sich weder des vollendeten noch des versuchten Computerbetrugs strafbar.

Der Angeklagte wurde im vorliegenden Fall vom Amtsgericht ''Berlin'' Tiergarten wegen versuchtem und vollendetem ''Computerbetrug'' gemäß § 263a StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Anlass dafür waren 4000,- ?, die der Angeklagte von fremden Konten auf ein extra von Bekannten für ihn angelegtes Zielkonto transferiert hatte. Um an das Geld zu kommen, hatte er sich zuvor widerrechtlich Zugangsdaten zu den Konten der Geschädigten erschlichen (Phishing). Das Kammergericht ''Berlin'' verwarf nun das Urteil in dem Verfahren (3) 121 Ss 40/12 (26/12) mit der Begründung, dass die Einrichtung der Zielkonten und das Abfangen der Kontounterlagen zwar auf einer Täuschungshandlung beruhen, diese jedoch nicht zur Erfüllung des Tatbestandes des Computerbetrugs führen. Dazu hätte der Angeklagte erst einmal unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung im Sinne des § 22 StGB ansetzen müssen, was allerdings erst dann der Fall ist, wenn die Handlung nach dem Tatplan des Täters im Falle des ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte in die Tatbestandshandlung mündet. Bei der widerrechtlichen Verwendung von mittels Phishing erlangten, fremden Konto- Identifikations- und Transaktionsnummern sowie Zugangscodes, liegt ein Ansetzen zur Tat nach Meinung des Kammergerichts allerdings erst dann vor, wenn die Daten tatsächlich verwendet werden. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn die Daten in den Computer eingegeben werden, um so eine Überweisung von dem tatsächlich Berechtigten vornehmen zu können. Erst dadurch würde das Ergebnis des vom Täter unbefugt eingeleiteten oder manipulierten Datenverarbeitungsprozesses dann tatsächlich beeinflusst.

Anwalt für Strafrecht: Drogen / Verkehrsrecht

Wird der Täter in einem gesonderten Verfahren rechtskräftig wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt, das im Zusammenhang mit dem Treiben von Handel mit Betäubungsmitteln begangen wurde, ist keine parallele Verurteilung wegen des Betäubungsmitteldeliktes mehr möglich.

Ist ein Urteil erst einmal rechtskräftig, so entfaltet es eine Sperrwirkung, den Strafklageverbrauch. Das bedeutet, dass der Verurteilte nicht noch einmal wegen derselben Tat verfolgt werden darf. Dass dieser fundamentale Grundsatz unserer Verfassung nicht immer konsequent ernst genommen wird, musste der Bundesgerichtshof (BGH) in dem Verfahren 3 StR 109/12 feststellen.

Der Angeklagte hatte ca. 317g ''Marihuana'' erworben, die er hälftig zum Weiterverkauf bestimmt und in einem Wald versteckt gehalten hatte. In der Tatnacht holte er die ''Drogen'' ab und geriet kurz darauf in eine Polizeikontrolle, bei der er festgenommen wurde. In der Fahrertür seines Autos wurde ein Messer mit einer Klingenlänge von 12 cm gefunden, das er während der Autofahrt griffbereit mit sich geführt hatte. Außerdem wies das Ergebnis der dem Angeklagten entnommenen Blutprobe eine ''Blutalkoholkonzentration'' von 1,43 ? und Hinweise auf ''Cannabiskonsum'' auf.
Aufgrund dieses Vorfalls erließ das Amtsgericht Neuss ''Strafbefehl'' gegen den Angeklagten und verurteilte ihn wegen ''Trunkenheit am Steuer'' gemäß § 316 StGB zu einer Geldstrafe. Zusätzlich eröffnete das Landgericht Düsseldorf ein Verfahren wegen ''bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln'' in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG und verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten.
In der gegen das Urteil des Landgerichts gerichteten Revision des Angeklagten stellte der BGH das Verfahren ein, da zwischenzeitlich das endgültige Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs eingetreten ist.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Autofahrt des Angeklagten gerade dem Transport der ''Betäubungsmittel'' gedient hat und das Mitführen der Betäubungsmittel deshalb in einem inneren Beziehungszusammenhang zum Fahrvorgang gesehen werden muss. Damit handele es sich bei dem Besitz und dem beabsichtigten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht um einen selbstständigen Teilakt, sondern um eine einheitlichen Tatvorgang, der nicht hätte gesondert betrachtet werden dürfen.

Anwalt für Strafrecht: Drogen / Btm

Die Installation einer Selbstschussanlage, um das zum Verkauf angebaute Betäubungsmittel zu schützen, ist kein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge i. S. d. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG.

Im vorliegenden Fall hatten die Anklagten auf einem Dachboden eine ''Cannabisplantage'' angelegt, um damit ihren Eigenbedarf an ''Marihuana'' abzudecken und Überschüsse gewinnbringend zu verkaufen. Als die gesamte Plantage und Teile der technischen Ausrüstung entwendet wurden, installierte einer von ihnen eine Selbstschussanlage. Das Landgericht sprach die Angeklagten lediglich wegen ''unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln'' in nicht geringer Menge gem. § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig. Den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hielt das Landgericht für nicht erfüllt an, da die am Tatort angebrachte Schusswaffe wegen ihrer Befestigung nicht ohne Weiteres zum Einsatz habe kommen können und somit nicht vom Wortlaut dieser Norm umfasst sei.
In dem Verfahren 4 StR 435/07 - bestätigte der BGH zunächst die Auslegung des Landgerichts. Auch der BGH ist der Auffassung, dass eine festeingebaute Selbstschussanlage nicht unter den Begriff "Bei sich führen einer Schusswaffe" subsumiert werden kann.
Der Begriff des Mit- oder Beisichführens einer Waffe, bezieht sich auf bewegliche Gegenstände, nicht aber auch solche, die - etwa in einer Selbstschussanlage - fest installiert sind. Das Tatbestandsmerkmal "mit sich führen" des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wäre also nur dann erfüllt, wenn der Täter das Tatmittel bewusst griffbereit bei sich hatte, um diese jederzeit einsetzen zu können. Der BGH bejahte dann aber für den Angeklagten ein Handeltreiben mit Btm unter mit sich führen einer Schusswaffe, der die zunächst bewegliche Waffe in Selbstschussanlage eingebaut hat. Zu diesem Zeitpunkt war die Waffe beweglich und dieser Angeklagte konnte zu diesem Zeitpunkt jederzeit auf die Waffe zugreifen. Das Strafmaß für das Handeltreiben mit Drogen in nicht geringer Menge unter mit sich führen einer Schusswaffe beträgt Freiheitsstrafe von mindestens 5 bis 15 Jahre.

Anwalt für Strafrecht: Drogenstrafrecht

Die bloße Untätigkeit bei der Begleitung eines Haupttäters, der Betäubungsmittel in nicht geringer Menge nach Deutschland einführt, stellt keine aktive Beihilfeleistung dar und rechtfertigt ihre Annahme selbst dann nicht, wenn der Begleiter um die Handlung des Haupttäters weiß und diese billigt

Um als Gehilfe einer Haupttat nach § 27 Abs. 1 StGB bestraft zu werden, reicht das bloße Billigen der Tat oder die schlichte Anwesenheit am Tatort nicht aus. Vielmehr muss der Haupttäter in seinem Tatentschluss oder der Bereitschaft zur Tatausführung bestärkt werden.
Diese Regel zur Beihilfe wurde in dem Verfahren 3 StR 178/12 vom BGH in einem Verfahren wegen ''Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz'' (BtMG) bestätigt. Dem Beschluss lag eine Entscheidung des Landgerichts Wuppertal zugrunde, in der die dort Angeklagte unter anderem wegen Beihilfe zur ''Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge'' zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts begleitete die Angeklagte einen Freund bis zur niederländischen Grenze, die dieser dann alleine zu Fuß passierte. In den Niederlanden angekommen, erwarb der Haupttäter 130 Gramm eines Heroingemischs. Anschließend rief er die Angeklagte, die auf deutscher Seite auf ihn wartete, an, um zu erfahren, ob sich Bedienstete des deutschen Zolls in der Nähe befänden. Zwar fasste sie in diesem Moment den Entschluss ihn vor Bediensteten des Zolls zu warnen, musste aber keine dementsprechende Warnung aussprechen, da sich niemand in der Nähe befand.
Nach Ansicht des BGH durfte anhand dieser Feststellungen nicht darauf geschlossen werden, dass die Angeklagte die ''Einfuhr von Betäubungsmitteln'' mittels aktiven Tuns gefördert hat, da das Schweigen auf die Frage, ob sich Bedienstete des Zolls in der Nähe befinden, keine aktive Hilfeleistung darstellt. Dass sie dabei um das Tun des Haupttäters wusste und es billigte, genüge, genau wie die bloße Begleitung des Haupttäters, nicht schon für die Annahme einer Beihilfe. Vielmehr ist die Billigung der Tat nach den Ausführungen des BGH nur dann als Hilfeleistung zu werten, wenn sie gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluss oder in seiner Bereitschaft, ihn weiter zu verfolgen, bestärkt wird. Auch eine Strafbarkeit durch Unterlassen verneinte der BGH, da keine rechtliche Pflicht der Angeklagten begründet werden konnte, die Einfuhr des Heroingemischs zu unterbinden.
Unter diesen Gesichtspunkten muss sich das Landgericht Wuppertal nun erneut mit der Verhandlung und Entscheidung zur Sache befassen.

Anwalt für Strafrecht: gefährlicher Eingriff Straßenverkehr

Die Beschädigung einer Bremsanlage eines Fahrzeuges stellt erst dann einen vollendeten Eingriff in den Straßenverkehr dar, wenn dadurch eine abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines Menschen verdichtet hat.

In seinem Beschluss vom 26.7.2011 - 4 StR 340/11 betonte der BGH erneut, dass es für die Erfüllung eines ''gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr'' gemäß § 315b StGB sowohl einer abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs als auch einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen bedarf.

Das Landgericht Essen hat die Angeklagte wegen ''Anstiftung'' zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß §§ 315b Abs. 1 Nr.1, Abs. 3, § 26 StGB verurteilt, da sie einen Bekannten dazu veranlasst hat, an dem Pkw ihres Vaters einen Bremsschlauch anzuschneiden. Die Wirkung des Bremssystems wurde dadurch bei scharfen Bremsungen um bis zu 50% vermindert. Die Angeklagte wollte, dass ihr Vater bei seiner nächsten Autofahrt einen Verkehrsunfall erleidet und sich dabei Verletzungen zuzieht. Dieser bemerkte die fehlende Bremswirkung jedoch, als er (auf einer Straße mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h) hinter einem parkenden Fahrzeug anhalten wollte. Daraufhin bremste er stärker und zog die Handbremse an, sodass er rechtzeitig zum Stillstand kam.

Der BGH führte zum konkreten Gefährdungserfolg des § 315b StGB aus: "Die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache ist erst dann konkret gefährdet, wenn durch die Tathandlung ein so hohes Verletzungs- oder Schädigungsrisiko begründet worden ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob es zu einer Rechtsgutsverletzung kommt." Kritische Verkehrssituationen würden diesen Voraussetzungen nur genügen, wenn sie sich aus der Perspektive eines objektiven Beobachters als ein "Beinahe-Unfall" darstellen. Dieser liege erst bei einer hochriskanten, praktisch nicht mehr beherrschbaren Verkehrssituation vor. Dass ein solcher "Beinahe-Unfall" in diesem Fall bestand, konnte das Landgericht jedoch nicht hinreichend belegen. Demzufolge änderte der BGH den Schuldspruch aufgrund der fehlenden konkreten Gefährdung dahingehend ab, dass sich die Angeklagte lediglich wegen Anstiftung zum versuchten ''gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr'' schuldig gemacht hat.

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidiger

Ein Pflichtverteidiger ist zu bestellen, wenn sich der Tatverdacht aus einer Vielzahl von Urkunden ergibt, die einem Beschuldigten nicht bekannt sind.

Nach § 140 Abs. 2 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn sich aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage ein Beschuldigter nicht selbst verteidigen kann. In diesem Fall ist einem Beschuldigten ein ''Pflichtverteidiger'' beizuordnen. Nach Auffassung des Landgerichts Cottbus in dem Verfahren 22 Wi Qs 17/11 ist dies insbesondere dann der Fall, wenn in der Anklageschrift auf eine Vielzahl von Urkunden Bezug genommen wird, die dem Beschuldigten nicht bekannt sind. Da lediglich ein Verteidiger umfassende Akteneinsicht erhält, gebietet es der Grundsatz des fairen Verfahrens, dem Beschuldigten einen Rechtsanwalt als ''Pflichtverteidiger'' beizuordnen.

Anwalt für Strafrecht: Fahrerflucht / Entzug Führerschein

Entfernt sich ein Unfallbeteiligter nach einem Unfall unerlaubt vom Unfallort und meldet diesen erst mit 40-minütiger Verspätung bei der Polizei, ist der Straftatbestand der Fahrerflucht gem. § 142 StGB zwar erfüllt, rechtfertigt aber nicht zwingend die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis

Gemäß § 142 Abs. 1 StGB wird ein Unfallbeteiligter, der sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten des Geschädigten Angaben zu seiner Person ermöglicht oder eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, um Feststellungen zu seiner Person vornehmen zu lassen (''Unfallflucht''), mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Darüber hinaus droht der ''Verlust des Führerschein''. Der Führerschein kann gegebenenfalls bereits im Ermittlungsverfahren vorläufig entzogen werden kann.

Mit Beschluss vom 6.7.2012 - 12 Qs 81/12 stellte das Landgericht Aurich fest, dass der Tatbestand der Unfallflucht auch dann erfüllt ist, wenn der Unfallbeteiligte den Unfall zwar bei der örtlichen Polizeidienststelle meldet, dies aber erst mit 40-minütiger Verzögerung geschieht. Der Beschuldigte hatte, nachdem er an einem Bahnübergang gegen den dortigen Schrankenantrieb gefahren war, sein Auto mit einem Freund zur Werkstatt gebracht und sich erst danach bei der Polizei gemeldet. Damit genügte er seiner Wartepflicht nicht.

Grundsätzlich ist zwar auch eine aktive Tätigkeit geeignet, den Unfallverursacher von dieser zu entbinden (was insbesondere der Fall ist, wenn die Polizei verständigt und damit dem Feststellungsinteresse des Geschädigten Rechnung getragen wird). Hierbei ist ihm allerdings nur gestattet, sich zum Zwecke der Benachrichtigung der Polizei vorübergehend vom Unfallort zu entfernen. Der Beschuldigte hatte die Fahrt zur Werkstatt zunächst vorgezogen, womit er den Tatbestand der Fahrerflucht erfüllt hat.

Dennoch verneinte das Landgericht eine vorläufige Entziehung der ''Fahrerlaubnis''. Dies begründete es damit, dass der Beschuldigte nur "gerade noch" den Tatbestand erfüllt hat und sich sein Verhalten damit am untersten Rand der Strafwürdigkeit befindet. Auch wurde dem Feststellungsinteresse der geschädigten Deutschen Bahn AG durch die nachträgliche Aufklärung der Tat Rechnung getragen, sodass der Schutzzweck der ''Fahrerflucht'' gem. § 142 StGB nicht gefährdet wurde. Überdies hinaus wies der ''Verkehrszentralregisterauszug'' des Beschuldigten keine Eintragungen auf. All diese Umstände ließen das Landgericht zu dem Schluss kommen, dass die Indizwirkungen des § 69 Abs. 1 Abs. 2 Nr.3 StGB widerlegt und dem Beschuldigten der ''beschlagnahmte Führerschein'' wieder herauszugeben ist.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsstrafrecht

Raubt der Täter sein Opfer beim Halt des Kraftfahrzeuges in einem Wohngebiet aus, so handelt es sich nicht um eine Ausnutzung von spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs, die zu einer Strafbarkeit wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer nach § 316 a StGB führt

§ 316 a StGB (''räuberischer Angriff auf Kraftfahrer'') lautet: Wer zur Begehung eines Raubes (?) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlussfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

In dem Beschluss vom 22. August 2012 - 4 StR 244/12 entschied der BGH, dass ein ''räuberischer Angriff auf Kraftfahrer'' nicht vorliegt, wenn der Täter das Kraftfahrzeug in ein Wohngebiet fährt und sein mitfahrendes Oper dort bei einem Halt des Kraftfahrzeuges ausraubt.

Die beiden Angeklagten hatten den Geschädigten schon im Pkw durch Faustschläge misshandelt und ihm, bevor sie ihn endgültig auf einem Parkplatz hatten liegen lassen, beim Halt in einem Wohngebiet seine Wertgegenstände abgenommen. Aufgrund dieser Feststellungen wurden sie vom Landgericht Leipzig wegen ''räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer'' in Tateinheit mit Raub, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung verurteilt.

Dieses Urteil hielt der rechtlichen Überprüfung des BGH nicht stand.

Neben dem Führer eines Kraftfahrzeugs kann zwar grundsätzlich auch der Mitfahrer ein taugliches Opfer im Sinne des § 316 a StGB sein. Allerdings kann aufgrund der Feststellungen des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die Angeklagten bei Begehung der Tat die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt haben, da das Fahrzeug sich zum Zeitpunkt des Raubes nicht im fließenden Verkehr befunden hat. Auch ein verkehrsbedingter Halt mit laufendem Motor, bei der das Opfer regelmäßig keine Möglichkeit hat, sich dem Angriff ohne Eigen- oder Fremdgefährdung (beispielsweise durch Ziehen der Handbremse oder Öffnen der Tür) zu entziehen, liegt nicht vor. Für die Fälle des nicht verkehrsbedingten Halts bedarf es nach Ansicht des BGH zusätzliche, im Urteil darzulegende Umstände, die die Annahme einer Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs rechtfertigen.

Anwalt für Strafrecht: Vergewaltigung

Der Qualifikationstatbestand der besonders schweren Vergewaltigung ist nicht erfüllt, wenn sich der Täter erst nach Abschluss der Gewalthandlung dazu entschließt, den Geschlechtsverkehr mit seinem Opfer durchzuführen

Zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten kam es zu einem Streit, bei dem die Geschädigte dem Angeklagten ein Glas Wodka ins Gesicht schüttete. Daraufhin wurde der Angeklagte so wütend, dass er auf die Geschädigte einschlug und ihr mit einem Küchenmesser drohte, sie zu erstechen. Er warf das Messer in die Spüle, schubste die Geschädigte ins Schlafzimmer und führte den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr aus. Ihm war dabei bewusst, dass sich die Geschädigte aufgrund der vorher erlittenen Verletzungen nicht zur Wehr setzen konnte.

Anhand dieser Feststellungen hatte das Landgericht ''Bielefeld'' den Angeklagten wegen ''besonders schwerer Vergewaltigung'' gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2a StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in Sicherheitsverwahrung angeordnet.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hob dieses Urteil mit dem Beschluss vom 29.8.2012 - 4 StR 277/12 auf. Ohne Zweifel hat eine körperliche Misshandlung der Geschädigten stattgefunden. Das Landgericht hat jedoch nach Ansicht des BGH nicht hinreichend erkennen lassen, dass die Misshandlung bei Durchführung des Geschlechtsverkehrs stattgefunden hat.

Als der Angeklagte auf die Geschädigte einschlug, passierte dies zunächst aus Wut und nicht mit der gegenwärtigen Absicht, sie zu ''vergewaltigen''. Da der Entschluss zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs erst nach Abschluss der Gewalthandlung entstanden ist, ist die Anwendung des Qualifikationstatbestandes ausgeschlossen.
Die mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter 5 Jahren belegte Qualifikation ist lediglich dann anwendbar, wenn das Opfer während der Vergewaltigung körperlich misshandelt wird.